Dienstag, April 18, 2006

(34) Der Journalist V (BEJ28)

zu 3.) Der Rückgriff auf die Persönlichkeit des Journalisten ist ein Plädoyer für das Persönliche und die persönliche Moral – jenseits der fachlichen Qualifikation. Dies sollte trotz der weitesgehenden Technisierung des Journalistenberufs möglich sein. Denn solange gilt, dass der Journalismus etwas mit dem Wort, der Freiheit und den Bürgern in dieser Demokratie zu tun hat, bleibt das normative Berufsbild für den Journalisten unerlässlich und sind die werthaften Prämissen des journalistischen Handelns unverzichtbar.
Niemand verpflichtet einen Journalisten, eine öffentliche Aufgabe zu übernehmen, aber indem er wählt, wird die „res publica“ der Gegenstand seiner Verantwortung und fordert sie ihr Recht, wie er sein Recht der Machtausübung und Einflussnahme fordert. Dieses „res“ verpflichtet den Journalisten aus ihrem Seins- und Sollensverständnis, dass er sein Bestes tut, damit das Geschäft im vorgezeichneten Sinne abläuft und die Öffentlichkeit die vermittelnden Dienste, die sie fordert und worauf sie angewiesen ist, erhält. Es geht wie wir sehen, um einen Dienst der Vermittlung, um ein Treueverhältnis zur öffentlichen Sache, und dabei sind nicht die Zustände meines schwankenden (und schwachen) Willens das maßgebliche Moment, sondern die Sachen die den Willen engagieren und auf solche Weise zu Zwecken werden und ihre Würde geltend machen.
Ein Journalist muss danach seine eigene Subjektivität bedenken und eine journalistische Philosophie als verantwortliches, begründetes und rechtfertigendes Erkennen praktizieren. Doviat: „Geblieben ist in allen Techniken organisatorischer oder persönlicher Ansprache die Gesinnung, freilich im Guten und im Bösen. Sie ist die Atmosphäre, durch die jede publizistische Aktion sich darbietet.“ Die Gesinnung hat ihr Korrelat in der Verantwortung und in einer Pflichtenlehre, aber vor allem in der Sachbezogenheit und Qualität der Information. Auch der ethische Gestaltungswille kann sich unterschiedlich artikulieren.
Mit Kategorien wie „Interpretation von Wirklichkeit“, „Wichtigkeit durch entsprechende Sinnzuweisungen seitens der Rezipienten“ oder „sach- und zugleich publikumsgerechter Thematisierung“ appelliert Gottschlich an ein journalistisches Vernunftethos, das die Perspektiven eigener Fehlleistung in die moralische Legitimation des eigenen kommunikativ-öffentlichen Handelns aufnimmt.
Das Sollen der Verantwortung wurzelt im einzelnen Menschen; aus diesem Kriterium sind die Systeme und Organisationsformen zu messen. Der Journalismus ist immer mehr Kollektivwerk geworden, die berufskulturelle und organisatorische Normierung müssen Hand in Hand gehen. Hier liegend die zukünftigen Entwicklungsfelder der Journalismus- und Medienethik bzgl. der Legitimation ihres Freiheitsspielraums. Die personale Selbstverpflichtung bleibt jedoch die ausschlaggebende Kraft.
Die Berufsethik ist der Ausweis des Professionalisierungsgrad, und hier liegt wohl das eigentliche Problem, dass die Journalisten auf der einen Seite ein Verhalten zeigen, das für die Angehörigen einer Profession charakteristisch ist, dass der Journalistenberuf jedoch andererseits ein „freier“ geblieben ist – und bleiben muss. So ergibt sich das „eigentümliche Zwitterbild des Journalismus“ (Kepplinger).
Der Zugang zum journalistischen Beruf, könnte von bestimmten Qualifikationen abhängig gemacht werden. So soll er sich vom Unterhaltungsgewerbe anheben. Ein Vorschlag ist ein „Hippokratischer Eid für Journalisten“, wie ihn die Columbia School of Journalism besitzt. U.a. heißt es da: „Ich glaube, dass klares Denken und klares Sprechen, Genauigkeit und Fairness grundlegend sind für einen guten Journalismus. Ich glaube, dass ein Journalist nur schreiben sollte, was er in seinem Herzen für wahr hält“ und weiter „Ich glaube, niemand sollte als Journalist schreiben, was er nicht als Gentleman sagen würde.“ Das Vertrauen des Lesers ist hier die Grundlage eines guten Journalismus. Schlechte Journalisten sollen auf die Stufe von Quacksalbern in der Medizin gerückt werden.
Vernunft und menschliches Leben sind nirgendwo tiefer zu treffen, als in den Fragen nach den Kommunikationsphänomenen. Die Wahrhaftigkeit des Menschen und des vom ihm hergestellten Journalismus zeigt sich im Kommunikationswillen, der einen Bezugspunkt im Unbedingten aufweist. Das bestimmt auch die Wertgebundenheit des journalistischen Handelns. Der Journalismus ist in die Werthaftigkeit des Allgemeinen, das wir politische Kultur nannten, eingebettet und ihr gegenüber rechenschaftpflichtig.
Objective reporting“ ist jetzt das Stichwort für journalistische Moralität. Diese Haltung zeigt sich allerdings extrem gleichgültig gegenüber den Folgen in gesellschaftlicher Hinsicht.
Die Theorie von der „Social Responsibility“ ist es dagegen vor allem, die den liberalistischen Freiheitsauffassungen und dem wertfreien Wissenschaftsgeist gegenübertritt und in dem Hutchins-Bericht eine neue Presse- und Journalistenethik begründet. Hier geht es um die Pflicht der Presse, eine neue Welt durch die Verbreitung des Wissens schaffen zu helfen und sich für die Wertschätzung der Ziele einer freien Gesellschaft mitverantwortlich fühlt. 5 Erfordernisse nennt die Kommission; sie könnten die Basis einer Theorie der journalistischen Sozialverantwortung abgegeben.
1.) Die Presse hat die Tagesereignisse wahrhaftig, umfassend und intelligent darzustellen und sie in ihrem Zusammenhang zu interpretieren.
2.) Die Presse hat ein Forum für den Austausch von Kommentar und Kritik zu sein.
3.) Die Presse hat ein repräsentatives Bild aller gesellschaftlichen Kräfte zu geben.
4.) Die hat die Ziele und Werte der Gesellschaft darzulegen und zu klären.
5.) Die Presse hat schließlich vollen Zugang zum Tageswissen –„full access to the day`s intelligence“ – zu verschaffen.
Schramm ist der Auffassung, dass gesellschaftliche Verantwortung weder durch den Staat, noch durch eine Behörde, sondern in letzter Instanz nur durch den Journalismus zu verwirklichen sei. Journalist und Journalismus legitimieren sich aus dem freien Meinen in öffentlicher Meinungsäußerung und dafür haben sie auch eine Verantwortung übernommen. Sie nehmen auf dem Umschlagplatz und „Marktder Ideen und Themen eine vermittelnde, öffentliche Aufgabe wahr. Dabei sollte ein Journalist die fragende Geduld besitzen, die Unterschiede zwischen ihm selbst und der Welt der anderen aufmerksam wahrzunehmen.
In unserer Kultur sind die Begriffe Journalismus und Freiheit unauflöslich miteinander verbunden. Im Rahmen einer befriedeten Freiheitsordnung geht es um den geistigen Kampf der Ideen. Die Moral der Freiheit trägt das praktische Handeln des Journalisten in der öffentlichen Kommunikation, sofern es ein sinnvolles und demokratiegemäßes Handeln sein soll. Die Moral der Freiheit ist der entscheidende Legitimationsgrund dieses Handelns in der Öffentlichkeit. Mut beweist sich im Interpretieren nach eigener Einsicht, nicht nach der Einsicht des anderen.

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