Freitag, April 14, 2006

(31) Philosophischer Einstieg VI (BEJ26)

zu 2.6) Spaemann: „Freiheit ist kein feststellbare Faktum, sondern gründet in der gegenseitigen Anerkennung und Freilassung natürlicher Wesen.“ Erst in der polis, erst in den Wirkungszusammenhängen der Kultur und im freien Zusammenleben der Bürger kann das gute und vernünftige Leben zur Entfaltung kommen. So begründet und legitimiert es sich. Der Gegenbegriff zu frei ist „Fremdbestimmung“
In einem Pluralismus der praktischen Vernunft, ist das konkrete Gutsein, die konkrete Vernünftigkeit der wirklichen Handlung nur im Verhältnis zur Vernünftigkeit der eigenen Person zu beurteilen, und diese Vernünftigkeit der persönlichen Sittlichkeit, deren Konkretion nicht nur im eigenen Entwurf, sondern im Verhältnis zum Ethos zustande kommt, nennen wir Gewissen. Die Not des Pluralismus ist es, dass er immer wieder aufs neue mit der Wahrheit des Gewissen seine Kompromisse schließen muss. Der Einzelne steht mit seinem Gewissen allein. Dennoch bleibt uns keine Wahl: das offene Ethos ist das demokratische.
Nach Kant, kann nur allein im Praktischen, die Vernunft gesetzgebend sein. Praktisch heißt, das richtige Handeln und Tun betreffend. „Praktische Philosophie“ bezeichnet dann die Sittenlehre und Ethik Kants, „praktische Vernunft“ eben die Vernunft als Vermögen der Ideen, sofern sie ihren Ideen praktische Realität, nämlich Realität im sittlichen Handeln verleiht. Es gibt Normen, die nicht aus der Erfahrung stammen, sondern a priori, vor aller Erfahrung allgemeine Geltung beanspruchen. So etwa ist die Freiheit ein Vernunftaktum. Die Vernunft ist auch ein Faktum insofern, als sie mit dem moralischen Gesetz identisch ist. Auferlegt in Freiheit und offen für meine Einsicht.

Gadamer: Es ist „eine mit dem Wesen der ganzen menschlichen Existenz gesetzte Vorraussetzung, dass es für uns ein Wollen dessen gibt, was wir Sollen.“
Der Wille ist nichts anderes als praktische Vernunft, die aber wiederum mit der Freiheit des Menschen identisch ist. Die Praktische Vernunft ist ein Vollzug der eigenen Wesensgesetzlichkeit des Menschen aus dem Bestimmungsgrund seiner Vernunftnatur „in heller und einsichtiger Bewusstheit“ (Schulz). Sie enthält gleichzeitig die Verantwortung für die unbedingte Selbstgestaltung der Freiheit aus Vernunft.
Die Selbstbestimmung und die Vernunft verhelfen dem Menschen dazu, sich aus der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ zu befreien. Die Autonomie bedeutet, dass die Vernunft sich selbst das Gesetz gibt. Der vernünftige Wille ist es, er als ein freier Wille zugleich ein guter, ein sittlicher Wille ist. Das eigene Handeln soll in Mündigkeit verantwortet werden. Mündigkeit ist Vernunftherrschaft des Menschen über sich selbst aus der freien, selbstgewählten und somit sittlichen Einsicht. Cultural patterns besitzen integrierende und legitimierende Kraft, was das Ganze zusammenhält
Das Gute ist zu tun, das Böse ist zu lassen. Kluxen: „In der Tat handelt es sich um eine Leerformel; deshalb ist sie jedoch keineswegs überflüssig, sondern sie gibt die moralische Differenz in jener Gestalt an, in welcher sie den praktischen Charakter der Ethik indiziert.“
Das Böse ist das Sinnlose, das Unvernünftige, was der Ordnung des menschlichen Zusammenlebens entgegensteht und seine Wurzeln in mir hat, in der „Verkehrtheit des Herzens“.
Wie der Mensch zum Guten gelangt und das Schlechte vermeidet, diese Frage macht die moralische Welt aus. Der Mensch, dessen Wille zum Guten gebrochen ist, erfährt nach Kant immer einen unerklärlichen und letztlich unaufhebbaren „Hang zum Bösen“.
Auch Freud hielt es aus psychoanalytischen Gesichtspunkten für unumgänglich, dass der Mensch sich ethische Disziplin auferlegt und Triebverzicht leistet. Ohne Unterdrückung der dunklen und unbeherrschten Kräfte im Menschen sah Freud das Fortbestehen der Kultur nicht gewährleistet
Moral ist auch Voraussetzung für Glauben, nicht Glaube macht moralisch. „Sich selbst besser machen, sich selbst kultivieren, und wenn er böse ist, Moralität bei sich hervorbringen, das soll der Mensch.“ schrieb Kant.

Kants Maximen gelten als Lebensgrundsätze und Leitprinzipien einer vernünftigen Selbstbestimmung des Menschen, aber belassen ihm zugleich den erforderlichen Freiraum für Unterschiede in Temperament, Fähigkeit und den Situationen, in denen er sich vorfindet.

In der Freiheit begründet und ebenso von Natur aus kommt das Böse ebenso wie das Gute dem Menschen zu. Nur im Selbstvollzug können wir Moralität begreifen und ergreifen.
Erst wenn wir uns selbst einbeziehen, wenn wir vom Bösen im Modus der Betroffenheit, nämlich des Eingeständnisses, schuldig werden zu können, reden, betreten wir die Ebene der Freiheit und Verantwortung, auf der das Böse keine Naturtatsache, sondern moralisches „Faktum“ ist.
Ethik ist Moralität, wenn sie eine engagierte ist, wenn mein Handeln unter der Voraussetzung der Freiheit steht, die Entscheidungen, aus denen das Leben in hohem Maße besteht, zu verantworten.

Die Meinungsfreiheit ist ein Individualrecht, ein Jedermann-Recht. Die daraus abgeleiteten Freiheiten, sich informieren zu können und informieren zu dürfen, berufen sich auf sie. Im Zentrum steht, anthropologisch und juristisch, das Phänomen der freien und persönlichen Meinung, die geschützt und grundrechtlich herausgestellt wird. Den Meinungen aller wird etwas Achtenswertes zugesprochen. Jeder soll seine eigene Meinung äußern dürfen und die der anderen respektieren. Welche die bessere ist, das mag sich herausstellen, aber niemand soll seine Meinung mit Gewalt durchsetzen. Es darf auch niemand wegen seiner Meinung zur Rechenschaft gezogen werden, in einem freien Lands jedenfalls, wo der demokratische Meinungskampf die politische Ordnung herstellt.
Bei einer demokratischen Meinungsäußerung steht der Wirkungswert im Vordergrund und nicht der Wahrheitswert. Der Respekt, den die Verfassung zollt, gilt der Freiheitsgewährung für die „ ständige geistige Auseinandersetzung zwischen den einander begegnenden sozialen Kräften und Interessen, den politischen Ideen und damit auch den sie vertretenden politischen Parteien“, so das Bundesverfassungsgericht. Dies ist nur auf dem Wege eines Kompromisses möglich. Wobei es eine Tatsache ist, dass sich die Politik von der Wahrheitsbindung abgelöst hat.
[Paulinische Anthropologie] : „In Christus gewonnene Freiheit“. Biser umreißt: „Die Antike habe es immer nur zu einem partikulären Freiheitsbewusstsein gebracht; jetzt aber entsteht ein absolutes.“ Nämlich die Freiheit ist selbst das Gesetz, das allen anderen Gesetzen vorausliegt. Dieses Gesetz der Freiheit ist das Gesetz des Geistes und der Liebe Christi. Es geht in der Theologie um das rechte Verhältnis von Gesetz und Gnade. Ursache der Unfreiheit ist im paulinischen Verständnis die Sünde, das Verfallen sein an das Gesetz der „Welt“. Die menschliche Freiheit ist eine gebrochene, eine gefallene Freiheit. Die Kräfte der Selbstheilung reichen nicht aus, sondern sie ist der Gnade bedürftig. Auch für die neuzeitliche Moral ist das Verhältnis von Freiheit und sittlicher Bindung fundamental, und diese Struktur entstammt dem Christentum. Krings: „Eine Bindung des Menschen hat nur dann einen sittlichen Sinn und Rang, wenn sie durch Freiheit begründet ist.“
Vom rechten Gebrauch der Freiheit zu sprechen bedeutet dann, sie als Gabe aufzufassen, als Auf-Gabe und Möglichkeit des Existierens. Zunächst und vor allem kommt es darauf an, „ich selbst“ zu sein und als handelndes Subjekt“ aufzutreten, den dauernden Kampf gegen Gewöhnung, Erschlaffung und Routine nicht aufzugeben.
Krings: Freiheit ist eine Erinnerung an Gott. Wir können Gut und Böse unterscheiden, wenn wir wollen

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