Dienstag, April 11, 2006

(24) Der Journalist IV (BEJ21)

zu 3.) Das Erstrebenswerte, das Wünschbare und das Nützliche im Journalismus, das sich im alltäglichen Handeln realisiert, ermöglicht in seiner ethischen Struktur überhaupt erst den Journalismus, sofern wir ihn als sinnvolles Ganzes bejahen.
Wir werden in einer demokratischen Lebensform kaum ohne einen freien und guten Journalismus auskommen können; er ist konstitutiv für sie. Dabei stellen sich ethische Fragen nicht nur im individuellen Alltag derer, die den Journalismus machen oder rezipieren, sondern ebenso aus der Perspektive der gesellschaftlichen Vernunft, was der Journalismus eigentlich im ganzen bewirken soll, für wen hier gearbeitet wird und inwieweit die Leistungen unserer massenmedialen Kultur dem guten Zweck genügen.
Das Allgemeine, das der Journalismus vermittelt, findet in der konkreten Betroffenheit und Nutzung des einzelnen Menschen seinen Niederschlag. Gleichzeitig ist es von öffentlicher Art und Moralität. In diesem Sinn ist journalistisches Handeln stets ein folgenreiches und in höherem Maße zu verantwortetes Handeln, das sich auf die Untrüglichkeit eines Bewusstseins gründet, richtig wählen und unterscheiden zu können.
Es stellt sich die Frage nach den Bedingtheiten der journalistischen Praxis im Horizont der gesellschaftlichen Vernunft und persönlichen Verantwortung unter der Voraussetzung, dass das Moralische im Journalismus den rationalen Grund der Verpflichtung ins Auge fassen muss, sonst kann sich das Sollen nicht legitimieren.
Das Handeln muss situations- und seinsgerecht sein, es muss ein abwägendes und auf die Bedingtheiten ausgerichtetes Handeln sein. Klugheit als die erfahrungsgesättigte Fähigkeit, gut Erwägen zu können, lässt uns die aristotschelie Ethik als eine Klugheitsethik charakterisieren, die sich auf das Erwägen versteht und sich auf die Dinge einlässt. Ethik kann nicht unbeteiligt getrieben werden. Man muss sich selbst, die eigene Erfahrung und Existenz, immer schon mit einbezogen haben. Wissen auf Abstand ist für das Ethische kein gutes Klima. Die „Richtigkeit“ liegt in uns selbst. Helligkeit und Schärfe des ethischen Urteils kommen aus dem Leben und der Wirklichkeit.
Authentizität und Glaubwürdigkeit sind nach Fleck journalistische Grundprinzipien. Binowski schreibt, dass der Journalist sein Ethos vor 3 Instanzen zu verantworten habe: „vor der personalen Haltung, die in eigenen Wertvorstellungen mündet, vor der redaktionellen Individualität, die Einfügung erfordert, und vor der Öffentlichkeit, auf die er besonders bezogen ist.“
Es besteht, nach Rühl und Saxer, ein „Ethikbedarf als moralisches Steuerungspotential“ im Journalismus und sie erklären die mitmenschliche Achtung als besondere, im Kommunikationsprozess hergestellte „Struktur“ zu zentralen Kategorie einer Kommunikationsethik. Rühl: „Funktion der Ethik ist es, die Bedingungen für wechselseitige Achtbarkeit, für die Achtung anderer und für die Selbstachtung zu garantieren, um damit die für die laufende Stabilisierung der verschiedenen Kommunikationsverhältnisse zwischen den verschiedenen situativen System-Konstellationen personaler und sozialer Systeme zu sorgen.“
Boventer verweilt nicht in systemtheoretisch-funktionalen Gewässern. Er schreibt, dass der Journalismus zwar auf eine wissenschaftlich-technische Rationalität angewiesen ist, dass er in seiner Subjektivität und den darin begründeten Werteverhältnissen die technischen Zwecke auf ein Mehr hin überschreitet, das den Journalismus überhaupt erst zum Journalismus macht. Für Boventer taugt ein journalistisches System, dem die Einsicht in die eigenen Zwecke und Sinnziele fehlt, nicht.

Was der Journalismus aus der mannigfachen Wirklichkeit heraushebt und über das Handeln des Menschen zur Wirkung bringt, ist immer zugleich auch etwas Wert- und Sinnhaftes, das kausalmechanisch nicht erklärbar ist. Das Wesentliche ist hier gerade das Werthafte und Bedeutungsvolle, es tritt uns als ein Wollen und Sollen gegenüber, wodurch sich die Dingwelt von der personalen Welt unterscheidet.

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