Dienstag, April 11, 2006

(25) Television III (BEJ22)

zu 4.1) Auf apparativem Wege wird das traditionelle Verhältnis von Wirklichkeit und Wirklichkeitsdarstellung dadurch umgekehrt, dass die mediale Präsentation zum Spektakel wird, nicht das Ereignis über das berichtet wird.
Walser hat schreibt, dass der Fernsehzuschauer immer irgendwie Tourist ist.
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4.2) Es ist umstritten, wie Medien wirken, aber die Wirkungsfrage ist zentral.
Die Wahrnehmungspsychologie lehrt, dass der Empfänger vorwiegend solche Mitteilungen und Meinungen aufnimmt, die auf eine schon vorhandene Disposition treffen. Die Wirkung der Massenmedien liegt weithin im verstärken vorhandener Einstellungen.
Diese These wird von Noelle-Neumann mehr als nur stark angezweifelt. Sie verweist unter anderem darauf, dass die über Medienwirkung herbeigeführte Beeinflussbarkeit überproportional zunimmt, wenn die soziale Integration des Individuums gestört ist und das Band gemeinsamer Überzeugungen sich lockert, so dass es sich nicht mehr lohnt, sie hartnäckig zu verteidigen.
Oder ist die Prägekraft des TV mit einem Schulprogramm zu vergleichen, das über viele Lebensjahre seine Wirkung entfaltet und beizubringen sucht, wie man zu denken habe?
Aristoteles stellt schon für die Rhetorik fest: „Dreierlei braucht man für eine Rede, einen Redner, einen Gegenstand und eine Zuhörerschaft, und dieses letzte, der Zuhörer, ist richtunggebend.“ Die bekannte Laswell-Formel lautet: „Wer sagt was durch welches Medium zu wem mit welcher Wirkung?“
Massenmedien, so Boventer, liefern prinzipiell keine Gegensteuerung zu Sinneinbrüchen im Alltag, sondern wirken stattdessen als Verstärker kurzlebiger Trends. Was vor allem auf die Art wie sie genutzt werden, also auf ihre Inhalte, zurückzuführen ist.
Die Mächtigkeit der Einflussnahme liegt im Unterschwelligen und Atmosphärischen, wo Gefühlseinstellungen in den Wert-Dimensionen „negativ-positiv“ haften bleiben. Wie die Pavlosche Glocke, funktioniert auch das TV weithin mehr als Signal, denn als Transportmittel. Es erzeugt einen Feeback, dass Schwarz das „Resonanzprinzip in der Kommunikation“ nennt. Das TV mobilisiert die Leute psychisch, nach dem zu fragen, wonach sie fragen sollen.
Das Medium TV zeigt allein schon durch den spezifischen Charakter seiner aufs Visuelle und Bildhafte angewiesenen Botschaft eine mythenbildende Kraft, die uns weiter von der Wirklichkeit dieser Erde entfernen kann als irgendeine Jenseitshoffnung dies vor dem Zeitalter der Säkularisierung je vermocht hat.
Cox: „Kreuze die mythische Macht des Technologischen mit der kulturellen Vorrangstellung des Visuellen, und der Nachkömmling ist eine elektronische Ikone.“ Die Signalgebilde der Massenmedien interpretiert er als verkappte Form einer Religion.
Nähe, personale Kommunikation und religiöse Geborgenheit kann das Medium allenfalls simulieren. Doch in der Simulation steckt die ganze Kraft der Fiktion und Phantasie. Was die Massenmedien für gut und wahr ausgeben, was sie für wirklich und wichtig halten, was nicht, dass macht ihre Religion aus, die sie verbreiten und woran sich die Lebensvernunft des Einzelnen hält.
Im Wirkungsbegriff treten Wirkung und Wirklichkeit in Beziehung und der Wirkungsbegriff kann nicht darauf verzichten, eine Wirklichkeitslehre vorauszusetzen.

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