Sonntag, April 09, 2006

(18) Television II (BEJ17)

zu 4.) Die Bilder waren einmal das einzige Medium, ein vergängliches Wort in seiner Anschauung gegenwärtig zu halten. Sie waren magische Kommunikationsmittel und bildeten nicht nur ab, sondern beschworen die Wirklichkeit. Sie waren im Mittelalter Kommunikationsmittel für die des Lesens und Schreibens unkundigen Volksschichten. Beim Modernen Fernsehbild tritt die Technik dazwischen und fabriziert eine Techno-Bilderwelt. Das ist nicht dasselbe wie jene Bilder, die Produkte des Handwerks und Kunstwerke waren. Andererseits ist die Seinsmächtigkeit der Bildes noch gegenwärtig.
Das Bild ist kein Zeichen. Das Bild, so Gadamer, „erfüllt seine Verweisung allein durch seinen eigenen Gehalt. Indem man sich in es vertieft, ist man zugleich bei dem Dargestellten.“
Das große Vertrauen des Menschen in das Bild ist wegen der Kraft des Mediums leicht dem Missbrauch ausgesetzt. Es liegt an den mythenbildenden Menschen, welche die Kamera bedienen oder mit ihren Ideen und Kenntnissen das Programm journalistisch hervorbringen, ob wir Bilder haben die die Wirklichkeit aufspüren oder ob man das wertvolle Gut „Aufmerksamkeit“ an Nichtigkeiten verschenkt.
Der Mensch ist Kraft seines Geistes Schöpfer der Wirklichkeiten des Journalismus zusammen mit anderem Menschen als Teil einer geistigen und politischen Natur.
Die Mehrdimensionalität unserer Wirklichkeitserfahrungen begegnet uns in der alltäglichen Verwendung durch die Massenmedien. Das Nahe und Vertraute stellen sie in unseren begrenzten Erfahrungen dem Fernen und Unergründlichen gegenüber. Die Massenmedien bilden die Wirklichkeit ab, sie konstruieren, reflektieren, dokumentieren – und erfinden sie auch. Der journalistische Bereich, in dem Phantasie und Fiktion ihre Geltung haben, ist besonders beim Fernsehen (ich denke inzwischen auch bei anderen visuellen Massmedia wie das WWW) stark ausgeweitet worden. Das TV bedient sich ästhetischer Mittel, welche die den Abstand zwischen Realität und Fiktion als vergrößert wahrnehmen lassen. Fernsehrjournalisten sehen die Fiktion als eigene, spezifische Möglichkeit des Begreifens von Realität.
Streng genommen gehören die fiktive Fernsehrealität und ihre Ästhetik nicht mehr ins journalistische Genre. Der Journalismus ist auf Wirklichkeitstreue bedacht, nicht auf Dramaturgie. Aber in der Fiktion des TVs fließen Phantasiewelt und Realwelt zusammen. Generell ist auf struktureller Ebene des Apparates und der Massenmedien die Differenz zwischen Symbol und Wirklichkeit kaum zu präzisieren.

Die durch Elektronisierung herbei geführten Veränderungen sind unter dem Aspekt ihrer „Menschlichkeit“ zu sehen. Diese muss der Maßstab der Weiterentwicklung auf dem Gebiet der elektronischen Medien sein, damit die sittliche Vertretbarkeit der technischen Machbarkeit vorangestellt wird. Bereits Schrift hat den Menschen von der Notwendigkeit der Anwesenheit im Kommunikationsprozess befreit. Der Wille zur Dauer hat sich ein Medium geschaffen, das wir Literatur und schriftliche Überlieferung nennen. Diese über Generationen hinausgreifende Kontinuität ist die Grundlage für jede kulturelle Höherentwicklung. In der Schriftlichkeit gewinnt die Sprach ihre wahre Geistigkeit, denn der schriftlichen Überlieferung gegenüber ist das Bewusstsein in seine volle Souveränität gelangt, so Gadamer. „Lesendes Bewusstsein ist notwendig geschichtliches und mit der geschichtlichen Überlieferung in Freiheit kommunizierendes Bewusstsein.“ Texte verstehen bedeutet gegenwärtige Teilhabe an Gesagtem und Teilhabe an der Mitteilung die Text uns macht.
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Das Merkmal der Disponibilität eines Mediums ist ein Merkmal persönlicher Gebrauchsfreiheit. Demnach wäre die wichtigste Taste die Aus-Taste.

Benjamin: „Die Reproduktionstechnik löst das Reproduzierte aus dem Bereich der Tradition ab. Indem sie Reproduktion vervielfältigt, setzt sie an die Stelle seines einmaligen Vorkommens sein massenweises.“ Der Einbuße an Authentizität und Originalität steht jedoch ein Gewinn an Publizität gegenüber. Die Technik erlaubt es der Reproduktion, dem Aufnehmenden in der jeweiligen Situation entgegenzukommen, und damit „aktualisiert sie das Reproduzierte“. D.h., ein technisches Medium hat dem reproduzierten Werk seine Eigenstrukturen in der Wirkungsweise auferlegt und kehr sie hervor. Daraus entsteht etwas Neues, das anders wirkt und als eine andere Wirklichkeit konstruiert ist. Das Medium verändert die Botschaft.
Das eingeschaltete TV-Gerät potenziert Spiegelung und Illusion des Theaterspiels (das noch eingebettet ist in Ritual kultureller Festlichkeit) nochmals in die technische Dimension, Spiegelung einer Spiegelung.
Den unmittelbaren Kontakt mit der Bedeutung der Symbole haben die Menschen verloren. Diesen Abgrund zwischen sich und der „Welt“ gilt es zu überbrücken.
Leist: „Film und Fernsehen wollen Nähe vermitteln. Nähe jener Wirklichkeit, die sie verstellen.“ Aber letzen Endes sind es wieder „nur“ Bilder. Bilder sind hier nicht einmal ein verkleinertes Abbild davon, sondern eine Übersetzung, eine Interpretation von fernsehgemäßer Welt, die uns sehen lässt, was wir sehen sollen. Insofern ist der Journalist, der Produzent, Schaffer ein eigenen, Wirklichkeit werdenden Bilderwelt, die ihre eigenen, zu verantwortenden Folgen mit sich bringt. Natürlich gibt es Ähnlichkeiten zwischen dem „farbigen Abglanz“ und dem „Leben“
Das TV wirft die Frage nach dem Sehen des Sehens auf, es verlangt „eine neue Methode des Sehens als Einübung des Sehens im Denken“ (Wisser). Dabei sollte auf Seiten der Sender eine Empfindung für die medienspezifische Struktur der Kontinuität ausgebildet werden.
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TV ist vollständig in die Alltäglichung aufgegangen. Der strukturelle Faktor des Mediums überwiegt in der Empfangssituation und bringt eine Situation hervor, „die eine extreme Konzentration mit einer extremen Beiläufigkeit in das gleiche Wahrnehmungskontinuum zwingt.“ Müller-Sachse. Die Funktion, die das Wort in einem Fernsehprogramm hat, könnte durchaus die gleiche sein wie das Wort im Theater. Ineichen: „Es kann das scheinbar alltäglichste Wort sein, das dadurch, dass es in einer ganz bestimmten Situation gesprochen wird, das einzig mögliche Wort ist.“ Beim TV machen wir uns zuwenig klar, wie sehr der Zuschauer mit den Ohren sieht. Man müsste die tonliche Entwicklung höher schätzen.

Aristoteles sprach vom Kennzeichen der Neuzeit als einer „Zeit des Weltbildes“. Die ganze Welt wird als Bild begriffen, worauf der Mensch sich einrichtet, worüber es sich „ins Bild“ setzt.

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