Mittwoch, April 12, 2006

(27) Massenmedien IV (BEJ23)

zu 5.) Die Massenmedien sind Teil unserer politischen Kultur. Das Problem der Verständigung ist der Punkt, an dem sich die Frage nach der Ethik der Kommunikation entzündet. Kommunikation ist ein Geschehen zwischen Menschen mit dem Ziel der Verständigung.
Kommunikation besteht in der Intention, dass nicht nur jeder Teilnehmer sein Selbstsein im Anderssein realisieren kann, sondern dass das „Tun des Eigenen“ ebenso das „Tun des Anderen“ (Hegel) ist. Mein Tun ist für mich „Mein Tun“ und für den anderen ist mein Tun „das Tun des Anderen“. Eine kommunikative Ethik kann so angesehen werden, dass in ihr die Grundlage von Moral überhaupt zum Vorschein kommt. Sie ist die Quelle des Prinzips Sittlichkeit und daraus hervorgehender Normen, um deren Begründung es geht.
Massenkommunikation wird im auch im Horizont des Seins-Zum-Anderen wirksam, als eine existentielle Kommunikation, die über den Informationsaustausch hinausgeht und die Fragen nach Wirklichkeit, Wahrheit und Sinn berührt.

Habermas kennzeichnet die Entlastungsmechanismen der Massenmedien als generalisierte Form der Kommunikation. Bei ihnen wird die sprachliche Verständigung nicht ersetzt, sondern bloß kondensiert, und deshalb bleiben sie auch den lebensweltlichen Kontexten verhaftet. Die Massenmedien „lösen Kommunikationsvorgänge aus der Provinzialität raumzeitlich beschränkter Kontexte und lassen Öffentlichkeiten entstehen, indem sie abstrakte Gleichzeitigkeit eines virtuell präsent gehaltenen Netzes von räumlich und zeitlich weit entfernten Kommunikationsinhalten herstellen und Botschaften für vielfältige Kontexte verfügbar halten.“ Moderne Massenmedien seit der Schrift, bringen eine „Entschränkung kommunikativen Handelns“. Wobei es ein Eigengewicht der Alltagskommunikation gegenüber der Massenkommunikation gibt, zumal in der Massenkommunikation autoritäre, anonyme und kontingente Lösungen den Platz des sich-miteinander-Beratens einnehmen.

Den Vorrang den viele Medieninhalte dem Negativen und seiner Negativität in ihren Formaten geben, kommentiert Papst Johannes Paul II mit der Frage: „Kann der Spiegel des Negativen in der Vielfalt heutiger Kultur nicht zum Selbstzweck werden? Kann er nicht zum Genuss am Bösen, zur Freude an der Zerstörung und am Untergang, kann er nicht zum Zynismus und zur Menschenverachtung werden?“
Die Aufmerksamkeit, die den Grundwerten zuteil geworden ist, muss stärker in die ethische Selbstreflexion der Medienkultur aufgenommen werden.
zu 5.a) Jede Nachricht ist mit subjektiven Elementen durchsetzt. Man sollte deswegen „entweder von verantwortlichem Umgang mit Subjektivität sprechen oder noch besser von Sachlichkeit“, die sich durch Sachkompetenz legitimieren muss.
Je weniger das TV sein Publikum differenziert, umso mehr müssen Zuschauer das Programm ohne Rückfragen verstehen können, sollen sie nicht „abschalten“. Sachverhalte und schwierige Themen müssen, wenn sie ankommen wollen, personalisiert werden. Es wird dem attraktiven vor dem sachlichen der Vorzug gegeben. Unter solchen Voraussetzungen können Orientierungslosigkeit und TV-Angebot zu unfreiwilligen Bündnispartnern werden, Das Problem liegt schon im Vielerlei der oft unverbundenen und einander widersprechenden Angebote und Thematisierungen.

Habermas: „Das Medium, in dem hypothetisch geprüft werden kann, ob eine Handlungsnorm, sei sie nun faktisch anerkannt oder nicht, unparteiisch gerechtfertigt werden kann, ist der praktische Diskurs, also die Form der Argumentation, in der Ansprüche auf normative Richtigkeit zum Thema gebracht werden.
Es herrscht eine Asymmetrie zwischen der Erwähnung von Neuigkeiten und Bewährtem in den Nachrichten. Das Ungewöhnliche und normativ Abweichende hat einen hohen Nachrichtenwert in der Massenkommunikation, das Alltägliche einen niedrigen. Über das Verbrechen wird berichtet, über die gute Tat kaum. Treuebruch ist stets berichtenswerter als Treue (Goldene Hochzeiten werden ja kaum erwähnt). Diese Schieflage ist keineswegs technisch durch den Apparat bedingt. Die Wahrheit der Wirklichkeit ist (noch) Gutes UND Böses. Und zu Stichworten wie „Geiseldrama“, „Internet-Enthauptungen“, "Reality TV" etc., kann man die Frage O’Neill`s zitieren: „Ist es unsere Pflicht, so unbarmherzig zu berichten, dass wir von unserer eigenen Menschlichkeit Abschied nehmen müssen?“
zu 5.b) Hoff: „Ich träume von einer Fernsehunterhaltung, deren Selbstverständnis es ist, auch und gerade in unserer aufklärerischen Zeit den Menschen auf die menschlichste Weise zu begegnen.
Eine TV-Welt, die sich dem starken Bedürfnis des Menschen nach Ablenkung verschließt und die „Bildungsprogramme“ verordnet, müsste sich Orwellschen Verhältnissen annähern.
Cox sieht die Humanisierung der Medienwelt darin, dass wieder Geschichten erzählt werden, vom Leben aus der Nähe ein Zeugnis gegeben wird, meine eigene Geschichte, die deine, die unsrige. Mit Geschichten sind jene Formen menschlicher Gesellung gemeint, wo Gefühle, Werte und Erfahrungen ein verpflichtendes Ganzes bilden, sie sind weitschweifig, sagen uns oft mehr über den Erzähler als über das Geschehen, sind persönlich und kommen aus der Nähe. Die geschichtenerzählende Rolle der Religion sieht Cox heute in einer zerstörenden und entwurzelnden Form in den Massenmedien wiederkehren, deren Einweg-Kommunikation vom Sender zum Empfänger die Menschen isoliert und ihnen das Lebenswichtigste nimmt, den Dialog. Cox schreibt, dass die Einweg-Kommunikation durch Dekret, Kommando oder Bekanntmachung von der Bibel nicht als Stil der Propheten, sondern von Tyrannen und Unterdrückern betrachtet.
Fernsehunterhaltung ist weniger ideale Realität als reale Idealität“ meint Bosshart und Goethals sagt: „Säkulare Kultur ist populär nicht aus de Grund, weil sie säkular, sondern weil sie sakramental ist“.

Die fiktive Welt der TV-Unterhaltung zeigt als das überragende „Idealgut“ die Liebe. Gefolgt von Verlangen nach Ruhm, Erfolg, Ansehen und sozialem Aufstieg. Die elektronischen Unterhaltungsprodukte entsprechen den geheimen Sehnsüchten der Menschen.
Das Spiel ist für Boventer heutzutage das Ehrlichste im TV, weil es sich nicht anmaßt, die Grundgesetze des TV zu überwinden.

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