Sonntag, Dezember 31, 2006

(69) Entwicklung der Massenmedien (JMW1)

Massenmedien sind im Sinne Luhmanns Verbreitungsmedien. Immer unabhängiger von Orten und Personen löst sich die Kommunikation von der Anwesenheitspflicht des Mitteilenden. Mit dem Aufkommen des Buchdrucks wird zudem die mögliche räumliche Dimension von Kommunikation erweitert. Informationen können nicht mehr so einfach kontrolliert werden und diffundieren schneller, der Empfängerkreis wird undeutlich, eine gesellschaftliche Öffentlichkeit entsteht und ermöglicht beschleunigte Veränderungen.

Schrape verweist auf eine zunehmende Differenzierung und Spezialisierung des Medienangebots. In immer schnelleren Zeitabständen kommen immer mehr verscheidenartige Medien auf den Markt.

Merrill und Lowenstein unterteilen die Akzeptanz neuer Medienangebote in 3 Phasen.

  1. Eine bestimmte Elite (meist Personen mit überdurchschnittlicher Bildung + stärkeren finanziellen Ressourcen) übernehmen das Medium am Anfang.
  2. Die Masse fängt das Medium an zu nutzen wenn die Preise fallen => Massenmedium.
  3. Kommt ein neueres Medium in Umlauf, entwickeln sich auf dem Feld älterer Medien Spezialisierungen.

=> Reichweite eines Mediums steigt zunächst an - und nimmt mit dem aufkommen neuer Medien wieder ab. Bspw. hatte das Radio seine höchste Publikumsreichweite in den 1950ern und verlor dann gegen das Fernsehen, welches im Moment wiederum gegen das Internet zurückgeht.

=> Um nicht völlig zu verschwinden, muss eine bestimmte Spezialisierung, also eine bestimmte Ausdifferenzierung des Angebots erfolgen, um die zeitliche Aufmerksamkeit eines Publikums binden

Bolz unterscheidet zwischen Medien der Vergangenheit, die Informationen als Einheit konzipieren und zu sequentiellem Aufnehmen auffordern, und Neuen Medien, die lineare Gedanken durch Denken in Konfigurationen ersetzen. Hypermedien verändern die Wissensaufnahme und das Denken in und über die Welt zu einem Denken in und über Simulationen. In ihnen werden dekontextualisierte Informationselemente und gleichzeitig Verknüpfungs-Schemata für Rekombinationen angeboten. Dazu kommt eine multimediale Darstellungsebene.

Hier stellt sich also auch schon die Frage nach der Veränderung der Gesamtgesellschaft durch die Entwicklung der (Massen-)Medien.

Fang stellt sechs Kategorien von Informationsrevolutionen auf:

  1. Schrift (Konvergenzschrift mit Papyrus)
  2. Druckverfahren
  3. Massenmedien (Telegraph, Fotographie) Unterhaltung (Schallplatten, Fotokameras, Film)
  4. Zugang im häuslichen Bereich (Telefon, TV, Radio)
  5. Neue Medien / Information-Highway (Konvergenz von PCs, div. Übertragungs- und Visualisierungstechniken)

Assmann und Assmann verweisen auf die Veränderung des sozialen Gedächtnisses, das sich durch Überwindung der Grenzen der mündlichen Übertragung (begrenzte Speicherung) über Schriftlichkeit (gefilterte Speicherung durch Sprache in Texten) hin zu einem elektronischen Gedächtnis entwickelt, das in nonverbalen Kodes und künstlichen Sprachen ungefilterte und unbegrenzte Dokumentationsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Es kommt zur Auflösung von Wissensmonoplen, zum Entstehen von Märkten, Anstieg der Litaralität und zur Entwicklung wissenschaftlicher Disziplinen.


Literatur(hinweise):

Basistext: Jäckel, Michael: Medienwirkungen

Assmann, Aleida; Assmann, Jan: Das Gestern im Heute. Medien und soziales Gedächtnis. In: Merten, Klaus (Hrg.): Die Wirklichkeit der Medien
Bolz, Norbert: Am Ende der Gutenberg-Galaxies. Die neuen Kommunikationsverhältnisse
Fang, Irving: A History of Mass Communication
Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft
Merril, John; Lowenstein, Ralph L.: Media, Messages and Men
Schrape, Klaus: Digitales Fernsehen

Freitag, Dezember 22, 2006

(68) Blog Aktuell

Nachdem ich mit dem Buch "Die Realität der Massenmedien" von Niklas Luhmann durch bin, werde ich mich als nächstes auf ein allgemeiner gehaltenes Buch konzentrieren und zwar Medienwirkungen von Michael Jäckel:

Es wird einen allgemeinen Überblick über die Entstehung und Entwicklung von Massenmedien, wie über verschiedene theoretische Ansätze zur Wirkungsforschung und zur Entstehung von Öffentlichkeit machen. Zuletzt gibt es noch ein kurzes Feature zur Bedeutung von Medien und zur Wissenskluftforschung. Insgesamt umfasst das Buch mit Schlussbemerkung 12Kapitel.

...

...über die Festtage wird's nun zwar jetzt erst einmal wieder stiller, aber danach... "Hau ruck die Waschfrau" ;-)

(67) Kybernetik zweiter Ordnung als Paradoxie (LRM21)

">Gott ist tot<, hat man behauptet - und gemeint: der letzte Beobachter ist nicht zu identifizieren." (Niklas Luhmann, RdM S.210)

Wir unterscheiden zum einen die operative Schließung (--> ein System reproduziert eigene Strukturen und Operationen nur aus eigenen Produkten) und die kognitive Schließung (-->ein System beobachtet bei allen seinen Kognitionen mit, dass es sich nur um seine eigenen Kognitionen handelt).

Mit der kognitiven Schließung wird die Frage nach dem Beobachter aktuell und wer sein Beobachten beobachtet kann eigenes Handeln und Erleben begründen, wenn er auf die der Beobachtung vorausgehende Unterscheidung stößt.

Luhmann stellt fest, dass das System der Massenmedien n i c h t auf der kognitiv geschlossenen Ebene operiert. Die Fremdreferenz der Massenmedien bezieht sich auf die Berichterstattung von Ereignissen und Meinungen. Das führt aber nur zu der Frage welcher "andere" Beobachter dies beobachtet. Die Selbstreferenz der Massenmedien dagegen thematisiert systemimmanente Strukuren und Operationen. Allerdings in der Art wie Objekte beobachtet werden und nicht wie hier wie beobachtet wird.

Als Soziologen (und auch sonst kann man dies tun) stellen wir aber diese Frage nach der Kontingenz jeder Beobachtung 1. Ordnung und damit kommen wir zur Paradoxie der kybernetischen Beobachtung 2. Ordnung, denn wir fragen dem, was für den Beobachter selbst unsichtbar bleibt. Dieser Widerspruch bewahrt die Theorie davor dogmatisch zu werden und veranlasst sie zur rekursiven Selbstbeschäftigung, gerade auch in Bezug auf die Frage, wie sie die eigene, selbstbezügliche Blindheit auszuhalten gedenkt.

Die Systemtheorie entfaltet diese Paradoxie als Zeitform, als Arrangement, welches nach Neubeschreibungen sucht, gleichzeitig aber mitdenken muss, dass der Letztbeobachter (die letzte Unterscheidung) immer unsichtbar bleiben wird und insofern Unterscheidungen keine ontologischen Sachverhalten an den Tag legen werden, sondern nur im Moment für den Moment zu überzeugen vermögen (oder auch nicht).

Wenn die Soziologie nun die Massenmedien beobachtet, so ist dreht es sich dabei um die Frage:

"Wie ist es möglich, Informationen über die Welt und über die Gesellschaft als Informationen über die Realität zu akzeptieren, wenn man weiß, wie sie produziert werden?" (Niklas Luhmann, RdM S.215)

Mittwoch, Dezember 06, 2006

(66) Schemabildung (LRM20)

"Vergessen macht frei." (Niklas Luhmann, RdM S. 193)

Ein System, dass Operation an Operation anschließt muss bei diesem anschließen ständig mitbedenken, was in den vorausgegangen Operationszusammenhängen an Wissen produziert worden ist und wie dieses Wissen als Struktur auf weitere Operationen wirkt. Dieses erinnerte Wissen kann man mit dem Begriff des Gedächtnis beschreiben.

Aber das triffe den Begriff des Gedächtnisses nur zu Hälfte. Das dieses kummulierte Wissen schnelle eine solche Fülle annehmen würde, dass es zu einer Totalblockade allen operierens kommen würde wollte man sich jedesmal an alles erinnern und es in vergleichende Beziehung setzen, so liegt die mindestens genauso wichtige zweite Funktion des Gedächtnisses im Vergessen.

Damit Erinnern und Vergessen nicht beliebig abläuft, werden Schemata gebildet. Diese erinnern das System selektiv daran, wie es durch eine bestimmte Vergangenheit in seinen gegenwärtigen Zustand gelangt ist und ermöglichen dem System gerade die Auswahl von Möglichkeiten bezüglich frei wählbaren Verhaltens. Denn nur wenn es überhaupt eine irgendwie vorstrukturierte Beschränkungen gibt, kann selbstgesteuerte Flexibilität möglich sein - sonst käme es nur zu einem "irgendwohin getrieben werden".

Schemata sind n i c h t die letztlich vollzogenen Operationen sondern liefern lediglich Regeln für deren Vollziehen, wobei gerade an den etablierten Schemata entlang dann Abweichung auffällt und angebracht ist. Schemata verändern sich im autopoietisch rekursiven Prozess.

Ein Sonderfall des Schema ist das Skript. Hier werden bestimmte Abläufe in Bezug auf zu beobachtende Kausalabläufe festgehalten (bspw. Einpacken von Waren in den Einkaufswagen --> Zahlen an der Kasse --> erst jetzt: verlassen des Supermarktes). Das Skript rechnet bestimmte Wirkungen auf bestimmte Handlungen zu, d.h. Sach- und Zeitschema werden eng aneinander gekoppelt.

Die strukturelle Kopplung zwischen massenmedialer Kommunikation und psychischen Systemen läuft vermutlich auf der Basis des zirkulären Gebrauchs solcher Schemata. Massenmediale Verständlichkeit und das Verstehen von Massenmedien erzeugt sich gegenseitig. Erst der massenmediale Konsum schafft Schemata in der Psyche, an die sich die Massenmedien dann wieder in ihrer Anwendung beziehen.

Hier geht es nicht um Manipulationsunterstellungen, denn die operative Geschlossenheit psychischer Systeme ermöglicht zwar einen structural drift und die Beschleunigung von Strukturänderungen, da sie zwar das Gedächtnis des Individuums strukturieren, sein Handeln aber nicht festlegen können. Zustimmung und Abweichung können bei hoher Themenfluktuation erreicht werden. Es ist sogar zu erwarten, dass die abweichende Identitätsinszenierung von Individuen zunimmt. Die Selbstschematisierung wird durch die Auseinandersetzung mit virtuellen Angeboten (wozu auch Theater oder Bilder bzw. bildliche Texte (Romane) zählen) angekurbelt, da das Individuum sich als sowohl ausgeschlossen - im Sinne "das bin nicht ICH der da agiert - und gleichzeitig eingeschlossen - im Sinne von "es handelt sich um Individuum wie mich, die dort agieren - wahrnimmt. Ohne Zeitverlust muss zwischen diesen beiden Seiten oszilliert und somit die eigene Identität sowohl aufgelöst, als auch rekombiniert werden.

Freitag, Dezember 01, 2006

(65) Öffentlichkeit (LRM19)

Öffentlichkeit
= Reflexion jeder gesellschaftsinternen Systemgrenze
= gesellschaftsinterne Umwelt der gesellschaftlichen Teilsysteme
= allgemeines gesellschaftliches Refelxionsmedium, dass die Unüberschreitbarkeit von Grenzen und das Beobachten von Beobachtungen registriert

Eine System kann zwar nicht außerhalb seiner Grenze operieren, kann aber reflektieren, dass es ein außerhalb seiner Grenze gibt (wozu sonst die Grenze?) und dass es von dort aus beobachtet werden kann. Ein System ist beobachtbar im Medium der Öffentlichkeit (dass schließt ein, nicht zu wissen wer dies genau ist).

Massenmedien repräsentieren Öffentlichkeit. Es handelt sich um eine konstruierte Öffentlichkeit. Es ist immer etwas intransparentes von der anderen Seite der jeweiligen Systemgrenze, des Systems, dass auf die Beobachtung der Öffentlichkeit abstellt und dort etwas transparent gemachtes vorfindet. Intransparent bleibt auch "wer wie darauf reagiert" was er als Öffentlichkeit beobachtet.

Bezüglich des dritten Punktes der Def. von Öffentlichkeit (s.o.) macht es auch Sinn, dass das System der Massenmedien eine gewisse Einschränkung in Bezug auf Ethik und Journalismus als Selbstkonrollinstanz einführt. In relativer Autonomie ist findet so eine Grenzziehung zu Heuchelei und/oder Geheimhaltung statt und garantiert so das unabhängige Beobachten von Beobachtern.