Dienstag, Juni 27, 2006

(55) Schaulust und Informationsbedürfnis

Ich schiebe an dieser Stelle eine Zusammenfassung des Textes von Peter M. Spangenberger ein, der in "Verleugnen, Vertuschen, Verdrehen - Leben in der Lügengesellschaft", erschienen ist.
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Ausgegangen wird vom Visual-Culture Paradigma. Dies bedeutet, dass die Alltagswelt der modernen Ges. immer mehr über die zugenommene Visualisierungen bestimmt wird und auch soziale Selbsterfahrung überwiegend in Auseinadersetzung mit visuellen Medieninhalten stattfindet.

Götz Großklaus wird mit dem - mich an Paul Virillio erinnernden - Satz zitiert, dass es eine "(fast) lückenlose bildliche Verzeichnung der Welt" (S.145) gibt. Daraus folgt, wie sonst, die sozial verbindliche Medienwelt.

Wir befinden uns umgeben von einer "Gesellschaftsform, deren sozialrelevante Selbst- und Fremdkontakte im wesentlichen durch eine kontinuierliche und weitgehend gesteuerte Produktion von visuellen Kompakt-Kommunikationen bestimmt werden" (146). Was wir über die Gesellschaft wissen, wissen wir, so Luhmann, aus den Massenmedien. Aber auch alles was wir der Umwelt der Gesellschaft zurechen, wissen wir aus den Massenmedien. Und wenn wir über eins von beidem, Gesellschaft oder Umwelt, in der Gesellschaft nachdenken, tun wir das meist in und über Massenmedien - und die sind nun mal hochgradig visualisiert. Vergleiche u.a.:"Post 18" u. .:"Post 38".

An Visualisierungen, sowohl bei Fotographie als auch beim Film, sind zwei sehr verschiedene Erwartungen verknüpft gewesen:


Ästhetische künstlerische Bilderstellung auf der einen Seite, technisch realistische Weltbeobachtung auf der anderen Seite. Dabei wird dem Bilderrealismus aufgrund seiner Standardisierung oft eine objektive, weil immer wieder gleich reproduzierbare Weltsicht unterstellt, die den technisch-maschinellen(-digitalen) Augapfel mit einem unabhängigen Beobachter verwechselt. Immerhin sind visuelle Termini zur Normalform der Weltbeschreibung schlechthin geworden (das ist 1. kontingent, weil wir die Welt auch in religiösen oder emotionalen Ausdrücken etc. beobachten und kartographieren könnten und 2. führt das dazu, dass wir Differenzen und Gemeinsamkeiten primär über optische Gegebenheiten indizieren).

Neue Informationen müssen sich in der öffentlichen Kommunikation verhältnismäßig problemlos in die im Großen und Ganzen redundant prozessierte, visuell erwarteten Bildtypen einfügen (N. Luhmann). Die an die öffentliche Kommunikation angeschlossenen Bewusstseinssysteme haben über lange Zeit Sehgewohnheiten entwickelt, die alles andere als unser natürlicher, objektiver Sehsinn sind (Ch. Bork).

Überraschende Bilder, so G. Frank, müssen, um schnell verstanden zu werden, sowohl einer bekannten Struktur folgen als auch gleichzeitig ein ausbalanciertes Überraschungsmoment mitführen, um kognitive Beachtung zu finden.

Ein reentry (vergleiche "Post 45".) der Gesellschaft in die Gesellschaft vollzieht sich, wenn mit einer operationalen Sichtweise beobachtet wird, so dass die Komplexität diverser Sachlagen in visuellen Kommunikationsprozessen immer wieder auf unterschiedliche Arten in die Kommunikation eingeführt wird (bspw. wird die Kommunikation über die Wahrnehmung von Unstimmigkeiten in der Umwelt (Reaktorunfall) aus unterschiedlichen Themenblickwinkeln weiterverarbeitet, etwa in Sendungen über technische Mängel, Talkshows mit politischen Beiträgen und in Berichten über menschliche Folgeprobleme - dabei ist es nur normal, dass in allen ganz unterschiedliche Kommunikationsresultate erzielt werden, die aber in anderen, auch sachfremden Kontexten, wieder auftauchen können).

Medienbilder (B. Latour) werden zu Quasi-Objekten, die - weil sie über eine auf Raum und Zeit verweisende Komponente verfügen - durch ihren hybriden Status von Referenzfunktion und symbolischer Kommunikation eine visuell codierte Bedeungsdichte inszenieren, welche Verweisungsüberschüsse en masse generieren kann.

Montag, Juni 26, 2006

(54) UNTERHALTUNG II (LRM12)


Strizz, als einer der bekanntesten zeitgenössischen deutschsprachigen Comicstrips, zieht seinen Unterhaltungswert gerade daraus, dass sein Hauptprotagonist in Situationen, die seine Leser durchaus mit selbst erlebten Erfahrungen vergleichen können (Redundanz), sein Entropiepotential immer auszunutzen weiß, und in als affektneutral definierten Situationen, so affektiv handeln kann, wie man es sich selbst nur selten erlauben kann.
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Gerade beim Comicstrip sieht man sehr gut, wie Informationen zu einem Zeitpunkt der Geschichte selektiert werden (in einem früheren Bild) um dann sogleich Anschlussmöglichkeiten en masse zu vernichten (das meiste kann jetzt nicht mehr passieren), aber gleichzeitig Anschlüsse für den Witz (in einem späteren Bild) vorbereitet.
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Fremdreferenz auf die reale Realität wird dabei immer mitgeführt und auch erst in diesem Vergleich entsteht die Form der Unterhaltung, die einen ganz bestimmten Bezug zur realen Realität zum Ausdruck bringt (Ablehnung, Zustimmung, Übertreibung etc.).
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Der Zuschauer, der als Beobachter 2.Ordnung parasitär an dem Unterhaltungsgebot partizipiert, ohne sich mit Folgeproblemen des Betrachteten konfrontiert zu sehen, kann aus der Distanz dennoch sich selbst mitbeobachten und sich überlegen, was wäre, wenn er selbst in einer solchen Situation wie der dargestellten sich befände. Und wenn er dann sich selbst als Beobachter beobachtet, wie es sich bzgl. der Beobachtung der fiktionalen Realität beobachtet, sieht es, wie es selbst mit seiner Identität operiert, kann es einen Prozess der Selbstfestlegung mitverfolgen (der natürlich keinen Bestand haben muss) und daraus Identität gewinnen.

Dienstag, Juni 20, 2006

(53) UNTERHALTUNG I (LRM11)

"Sicherlich ist Unterhaltung auch eine Komponente der modernen Freizeitkultur, die mit der Funktion betraut ist, überflüssige Zeit zu vernichten." (S96)
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Aber nicht nur. Und uns interessiert hier auch weiterhin vor allem das WIE der stattfindenden Realtitätskonstruktion.
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Für den Programmbereich der Unterhaltung schlägt Luhmann vor sich am Modell des Spiels zu orientieren.
Das Spiel wird ebenfalls als eine Realitätsverdoppelung begriffen, als eine "Zweitrealität" die sich ausdifferenziert, mit eigenen Sinnkonstruktionen, eigenen Regeln, eigenen Ereignissen. Von dieser Zweitrealitätebene aus, erscheint das gewöhnliche Leben als reale Realität.

Das Spiel ist in einer zeitlichen Begrenzung festgesteckt, dass führt dazu, dass man - was sonst nicht möglich ist - Anfang und Ende wahrnehmen kann. Wenn das nicht mehr möglich wäre, käme es zu dem oft verfilmten Phänomen, dass aus dem Spiel plötzlich ernst wird, weil die Ausgangsoption verschwindet. Die Grenze, die das Spiel zur realen Realität immer aufrecht erhalten muss, wäre dann zusammengebrochen.
Unterhaltung unterscheidet sich aber vom traditionellen, interaktionsorientierten, Spiel dadurch, dass es lediglich virtuell vorhanden ist - über optische oder akustische Reize sich in Szene setzt. Es entsteht eine fiktionale, sehr freie Parallelwelt - in der auch soziale Konventionen nicht mehr gelten müssen.
Obwohl fiktional konstruiert, werden in der und durch die Unterhaltungswelt Realobjekte erzeugt - Texte und Filme - die den Übergang zwischen den welten reale Realwelt und fiktionale Realwelt ermöglichen. Damit die fiktionale Welt Bewusstsein an sich koppeln kann, prozessiert sie - wie die anderen beiden Programmbereiche auch - Informationen. Um diese wahrnehmen zu können, bedarf es trotz aller fiktionalen Möglichkeiten, dennoch eine gewissen Redundanz, damit Zuschauer das Neue auch von Bekanntem unterscheiden können und es%2
"Sicherlich ist Unterhaltung auch eine Komponente der modernen Freizeitkultur, die mit der Funktion betraut ist, überflüssige Zeit zu vernichten." (S96)
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Aber nicht nur und uns interessiert hier auch weiterhin vor allem das WIE der stattfindenden Realtitätskonstruktion.
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Für den Programmbereich der Unterhaltung schlägt Luhmann vor sich am Modell des Spiels zu orientieren.Das Spiel wird ebenfalls als eine Realitätsverdoppelung begriffen, als eine "Zweitrealität" die sich ausdifferenziert, mit eigenen Sinnkonstruktionen, eigenen Regeln, eigenen Ereignissen. Von dieser Zweitrealitätebene aus, erscheint das gewöhnliche Leben als reale Realität.
.Das Spiel ist in einer zeitlichen Begrenzung festgesteckt, dass führt dazu, dass man - was sonst nicht möglich ist - Anfang und Ende wahrnehmen kann. Wenn das nicht mehr möglich wäre, käme es zu dem oft verfilmten Phänomen, dass aus dem Spiel plötzlich ernst wird, weil die Ausgangsoption verschwindet. Die Grenze, die das Spiel zur realen Realität immer aufrechterhalten muss, wäre dann zusammengebrochen.
Unterhaltung unterscheidet sich aber vom traditionellen, interaktionsorientierten, Spiel dadurch, dass es lediglich virtuell vorhanden ist - über optische oder akustische Reize sich in Szene setzt. Es entsteht eine fiktionale, sehr freie Parallelwelt - in der auch soziale Konventionen nicht mehr gelten müssen.
Obwohl fiktional konstruiert, werden in der und durch die Unterhaltungswelt Realobjekte erzeugt - Texte und Filme - die den Übergang zwischen den Welten „reale Realwelt“ und „fiktionale Realwelt“ ermöglichen. Damit die fiktionale Welt Bewusstsein an sich koppeln kann, prozessiert sie - wie die anderen beiden Programmbereiche auch - Informationen. Um diese wahrnehmen zu können, bedarf es trotz aller fiktionalen Möglichkeiten, dennoch einer gewissen Redundanz, damit Zuschauer das Neue auch von Bekanntem unterscheiden können und es nicht einfach als nicht-verstanden durchgeht.
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[Bzgl. Redundanz gibt es da dieses schöne Beispiel von Luhmann in der "Einführung in die ST", dass auch bei neuer, ich sag jetzt mal: aufwühlender Kunst, 90% bekannt sein muss, damit die 10% provozieren können... leider finde ich gerade die Textstelle nicht]
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Informationen werden in einem narrativen Kontext erzeugt, erst in einem aufeinander verweisen von verschiedenen Phänomenen können Verbindungen den Status von Informationen erlangen bzw. Informationen erzeugen Verbindungen. Es hängt vom Beobachter ab wie die Zurechnung erfolgt und auch, wie die fiktionale Ereignisse mit der realen Realität incl. des beobachtenden Beobachters verknüpft werden.
Geschichten der Unterhaltung sind aber in sich abgeschlossene Gebilde, sie verweisen aus sich heraus, aus ihrer eigenen Logik auf folgendes. Eine Information irgendwo verweist bestimmt auf eine andere Information anderswo - in einer perfekten Inszenierung gibt es keine Zufälle. Der Zuschauer kann beim Beobachten der fiktiven Geschichten ganz entspannt von Kommunikationserwartungen des Beobachteten absehen - solange es ihn nicht zu parasozialem Verhalten ("Guten Abend liebe Zuschauer- "Hallo Frau Will!") drängt - und kann sich ganz der Beobachtung 2.Ordnung widmen.

Montag, Juni 19, 2006

(52) und jetzt: WERBUNG (LRM10)

Die Werbung ist der Programmbereich der Massenmedien, der sich am stärksten mit Manipulationsvorwürfen konfrontiert sieht - und sich auch am meisten Mühe macht, diesen Vorwürfen gerecht zu werden.

Während die Motive der Werbung offen auf dem Tisch liegen ("Verbraucherinformation" ;-) ), sind ihre Mittel weniger durchsichtig. Als Ziel ist das Gedächtnis der Zuschauer anvisiert - dort will man Elemente als Erinnerungen verankern. Primär darf man nicht vergessen werden.

Mit "Verbraucherinformation" (den Begriff führe ich hier ein, Luhmann gebraucht ihn nicht) ist zweideutig darauf hingewiesen, dass man die Zuschauer zwar zu Einstellungsänderungen (nämlich zu "Kaufabsichten") bewegen will, sie diesen Schritt aber alleine vollziehen sollen. Die Motive der Werbung werden durch schöne Präsentationen verschleiert. (Gelegentlich schafft es dann die ein oder andere Werbung auch jenseits der Werbezeiten/-spalten eine Funktion der Unterhaltung zu entwickeln: siehe als Beispiel: Honda)

Formen des paradoxen Sprachgebrauchs vereinnahmen Gegenmotive. Luhmann führt als Beispiele auf, dass suggeriert wird, man könne durch Geld ausgeben Geld sparen oder offensichtliche Massenprodukte exklusiv erwerben (...wahrscheinlich "nur solange der Vorrat reicht" - außer bei der H&M Unterwäsche Collection, für die mit Naomi Campbell damals auf Blutrot geworben hat, (H&M Campbell), ist mir nicht bekannt, dass der Vorrat irgendwann mal knapp wurde...).

Es geht auf jeden Fall darum, "in ein bereits interessenfixiertes Terrain einzubrechen und eine spezifische Ungewissheit zu erzeugen" (S.88). Interesse wecken für ein neues Produkt, vielleicht auch durch kleine kognitive Anforderung ("welche Firma produziert Knüller-Milch-Reis? Senden Sie die richtige Antwort...") ist die schwierige Aufgabe, denn das Meiste was beworben wird, findet wohl nie einen Platz im Einkaufswagen - und das nicht nur nicht aus finanziellen Gründen.

"Zu den wichtigsten latenten [...] Funktionen der Werbung gehört es, Leute ohne Geschmack mit Geschmack zu versorgen." und dann weiter - !!! - : "Nachdem es sich als unmöglich erwiesen hat, Bildung in Geld umzusetzen, hat die umgekehrte Möglichkeit, Geld als Bildung erscheinen zu lassen, immerhin gewissen Chancen" (S.89).

Symbolisch benutze Objekte versorgen Kunden mit Selektionssicherheiten und mit einer Begehrensstrukturierung, die sonst so nicht möglich wäre, weil es keine wirkliche Selektionskriterien beim Käufer gäbe, auf die dieser zurückgreifen könnte. Ob XXXL-T-Shirts wirklich jedem Hemd stehen und Pony-Frisuren unbedingt zu jedem Damengesicht passen, dies muss man nicht selbst entscheiden (wie sollte man auch: im schulischen Kunstunterricht wird ja nicht Ästhetik, sondern wohl eher Basteln gelernt); es ist jetzt in der Werbung aktuell und bald darauf Mode.

Dass Werbeinvestoren nie wissen, welche Hälfte der Werbekosten, die sie investieren, sich auch wirklich lohnt, verweist auf die eigentümliche Realitätskonstruktion der Werbung. Eine eigene Realität konstruiert sich allerdings durchaus.

Mit dem designen von oftmals kunstvollen Oberflächen wird auf eine weitergehende Tiefe verwiesen, die nicht mit-kommuniziert werden kann, die sich aber an anderer Stelle - vielleicht beim Konsum - eröffnen mag. Wie beim Betrachten eines Kunstwerks lassen sich die ausgelösten Irritationen beim Betrachter nicht auf die Leinwand bringen, entsprechende Kommunikation verweist aber darauf, dass diese zumindest kommuniziert werden (...nicht auszuschließen, dass viele neue Kleider des Kaisers auch mehr symbolischen Zeichencharakter als Outdoor-Qualitäten mitführen...).

Die Funktion der Werbung, so Luhmann, liegt letztlich in der Erzeugung von Redundanz und Varietät. Es geht beim Werben zum einen darum, dass deutlich kommuniziert wird, dass es etwas zu kaufen gibt - und zwar immer (noch). Und zum anderen sollen die beworbenen Produkte konkret von anderen unterscheidbar sein. Das erleichtert dem Konsumenten dann die Wahl.

Allerdings müssen permanent Neuigkeiten her, damit sich auch Neu-Anschaffungen an sich noch funktionstüchtiger Güter rechtfertigen lassen. Diese sollten dann so gut wie die alten, genauso gut wie die anderen und noch ein Quäntchen anders sein.

Sonntag, Juni 18, 2006

(51) Lernprozess

wir lernen, dass die welt weder eine scheibe, noch eine kugel ist.
die welt ist ein gespräch!"
"

Stefan M. Seydel

Link

Samstag, Juni 17, 2006

(50) Nachrichten und Berichte (LRM9)

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Kommunikation ist die Erzeugung schönen Scheins, mit denen sich das Individuum vor anderen und damit letztlich vor sich selbst verbirgt.

Realität der Massenmedien S.78



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Nachrichten und Berichte erarbeiten und verarbeiten Ignoranz in Form von Tatsachen. Ignoranz heißt hier wohl, dass in den Nachrichten nur das vorkommt, was denn eigentlich nicht aufgefallen wäre. Und Tatsachen verweist darauf, dass es als ontologisch und kausal vorgeführt wird.

Dabei wird durch das System der Massenmedien eine Normalisierung einer Unwahrscheinlichkeit erreicht: Die tägliche (heutzutage wohl stündliche oder im News-Ticker im Minutentakt) Erzeugung von Information über Neuigkeiten in Form von Nachrichten.

Es müssen zwei Dinge erfüllt sein:

- Erwartungen müssen erzeugt werden, dass immer wieder Neues passiert

und

- es muss professionelle Berichterstattung geben: Journalismus.

Die Mitteilungsform muss suggerieren, dass das Vergangene noch in der Gegenwart Bedeutung besitz, ja am besten, zukünftiges bestimmt. Dafür muss die Wahrnehmung von Kontinuität konstruiert werden.





Die Zeit beginnt dann irgendwann zu rasen und zwar ab dann, wenn die Berichterstattung immer schneller neue Informationen zu Tage fördert, die neue Einflüsse auf die Zukunft haben (können). Praktisch unbeeinflussbar ist die Welt in der "live"-Übertragung.

Informationen im Nachrichtenformat gelten als "wahr". Wahre Informationen zu liefern ist die professionelle Aufgabe der Massenmedien. Das es hier nicht um Wahrheit im Sinne Heideggers/Boventers (vgl. Post 38) ist offensichtlich. Eher scheint es sich um Wahrheit im Sinne von Konsistenz und Nicht-Falsifizierbarkeit zu handeln. So ist es auch keine "wirkliche Wahrheit" sondern komplexitätsreduzierte Wahrheit, im Sinne wie eine Landkarte "wirklich" das abbildet, was sie beschreibt.

Als Folge von "Ausdifferenzierung, Brechung der externen Determination und operativen Schließung" (S.57) schafft das System es intern einen Kommunikationsüberschuss zu erzeugen, auf den es selbstselektiv reagieren kann - und muss - und kann!

Eine Reihe von Selektoren führt Luhmann nun auf, die aus überschüssigen Möglichkeiten, bestimmte Informationen für Nachrichten auswählen, weil sie sich besonders gut eignen. Er erwähnt u.a.

- Neuigkeiten
- Konflikte
- Quantitäten (gibts nichts neues, macht man eine neue Tabelle)
- Normverstöße
- moralische Bewertungen("...haben die MassMedia eine wichtige Funktion in der Erhaltung und Reproduktion von Moral..." (S.64))
- Zurechnung auf Handeln
- Aktualität + Rekursivität
- Äußerung von Meinungen
u.a.

Als letzten, 10. Punkt, wird darauf verwiesen, dass es Organisationen sind, die diese Selektoren benutzen, um Selektionen zu vollziehen. Aber ihre Aufgabe ist vor allem im "Einpassen von Informationen" in "Rubriken und Schablonen".

Der Auswahl- / Auslesevorgang ist ein Konstruieren von Identität(en). Es werden Kontexte geschaffen und auseinander gerissen, es werden Verweise erstellt, Generalisiert und Konfirmiert. --> es entsteht ein -->

"Zusammenhang von Kondensierung, Konfirmierung, Generalisierung und Schematisierung"´

und es steht ein sehr selektives Gedächtnis der Gesellschaft, in dem einiges erinnert und vieles vergessen und das meiste nie erwähnt wurde.

Es geht hier aber nicht darum, einen Manipulationsverdacht aufzubauen oder zu belegen, sondern darum den manipulativen Charakter der Massenmedialen Darstellung als ihnen immanent zu begreifen. In der Auseinandersetzung mit diesem Mechanismus entfaltet das System in sich selbst seine Paradoxie von Information und Nicht-Information und gibt sie an sich selbst zurück.

Es ist offensichtlich, dass Massenmedien Informationen manipulieren - sie können gar nicht anderes. Informativ sind sie trotzdem und glaubwürdig sind sie dann dort und deshalb, wo und weil sie nicht schaffen, alles zu manipulieren.

(49) Systemspezifischer Universalismus (LRM8)

Wenn wir es mit einem eigenständigen System der Massenmedien zu tun haben, muss es sich als emergentes Teilsystem der Gesellschaft ausdifferenziert haben. Es muss sich vor allem autopoietisch reproduzieren können, also seine Grenzen, die es von der Umwelt trennen selbst herstellen und ziehen können. Dazu bedarf es einer operativen Geschlossenheit, also eine Operationsform, die nur im System vorkommt, nur vom System hergestellt werden kann und von der Umwelt auch nicht anderweitig erzeugt wird. Spezifische soziale Subsysteme der Gesellschaft verfügen über eine ganz spezifische Kommunikationsoperation die jeweils nur sie realisieren.

Grenzziehung ist ein Unterscheidungsgebrauch, ein Beobachten, ein Unterscheiden und Bezeichnen - das System muss sich selbst unterscheiden und bezeichnen.

Ein System existiert bereits, wenn es beginnt sich zu reproduzieren. Der Anfang ist immer schon irgendwie gemacht (-> und will man den Anfang rückblickend rekonstruieren, konstruiert man eine gegenwärtige Beschreibung des Anfangs). Die Grenzziehung bedeutet, die bereits gezogene Grenze zu reflektieren und erneut zu ziehen: das System wieder von seiner Umwelt zu differenzieren -> zwei Seiten zu generieren. Ein binärer Code (Systeminnenseite/Systemaußenseite) dient dabei als Leitdifferenz.

Die Parson`schen Begriffe Universalismus und Spezifikation bilden dabei ein Komplementaritätsverhältnis.

Universalismus -> bezieht sich auf die Systemfunktion. Für die Funktion des Systems ist nur dieses eine System zuständig und sonst keins. Nur die Wirtschaft ist für Zahlungen zuständig und nur das Recht für Recht. Über Krankheit und Heilung entscheidet nur das Krankensystem und nicht mehr eine Moralische Instanz, deren Moral aber auch nicht mehr pathologisch untersucht wird.

Das System kann sich um alles selbstthematisierte kümmern.

Spezifikation -> bezieht sich auf die eigenen Operationen, die nun auf hochkomplexer Art weiterentwickelt werden können, weil sozusagen durch den "Expertenbonus" intensivste Auseinandersetzung möglich ist.

Es kommt zu einer selbstselektiv spezialisierten Universalität. Zusätzlich verstärkt durch eine Binnendifferenzierung unterschiedlicher Programmbereiche (in allen größeren sozialen Subsystemen zu finden).


Bzgl. der Massenmedien unterscheidet Luhmann induktiv 3 Programmbereiche:

Nachrichten ----- Werbung ---- Unterhaltung

Ihnen ist gemeinsam, dass sie den Code Information\Nicht-Information gebrauchen, aber die Kriterien, wie sie ihn benutzen, also wie sie Informationen auswählen, ist unterschiedlich.

Die Unterscheidung dieser 3 Bereiche, ist für Luhmann die wichtigste interne Struktur des Systems der Massenmedien.