Samstag, Januar 24, 2015

NEU: Die Komplexität der Ernährung in der Gegenwartsgesellschaft

Die Komplexität der Ernährung in der Gegenwartsgesellschaft

Soziologische Analysen von Kultur- und Natürlichkeitssemantiken in der Ernährungskommunikation

Die Ernährungskultur in der Gesellschaft der Gegenwart ist geprägt von hoher Komplexität und widersprüchlichen Prämissen. Man hat es mit einer Ernährungskultur der Ernährungskulturen zu tun. Im Spannungsfeld der Differenz von Natürlichkeit und Kultur haben sich dabei verschiedenste Ernährungsidentitäten herausgebildet. 

Der vorliegende Band versammelt Aufsätze, die sich dem Phänomen der modernen Ernährung aus unterschiedlichen Richtungen nähern, etwa der Kunst, der Religion, der Emotionen oder der Nachhaltigkeit. Ergänzt wird die Arbeit durch einen kommunikationstheoretischen Teil. Dieser unternimmt den Versuch, eine paradox aufgebaute Form des sozialen Phänomens der Ernährung zu identifizieren und für anschließende Analysen und Forschungen fruchtbar zu machen. 


Daniel Kofahl (2015): Die Komplexität der Ernährung in der Gegenwartsgesellschaft: Soziologische Analysen von Kultur- und Natürlichkeitssemantiken in der Ernährungskommunikation. Kassel University Press. 310 S. ISBN: 3862195538

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Mittwoch, Januar 21, 2015

Ernährungs(r)evolution durch Dschungelcamp? – Vom Insekten essen und Würmer schlemmen


Jetzt ist es wieder soweit. Die neue Staffel Dschungelcamp ist gestartet und es geht auf ausgetretenen Pfaden weiter. Das gilt auch für die kulinarischen Episoden, denn wieder werden Insekten, Würmer und anderes Kleinstgetier auf den Speiseplan gesetzt. Diese essthätisch zweifelhaften Prüfungen sind ein Garant für die Aufmerksamkeit des Publikums und, was noch interessanter ist, für die anhaltenden, öffentlichen Diskussionen über das Fernsehformat hinaus. Zu kaum einem anderen Aspekt des Dschungelcamps werden so viele Anschlusskommunikationen produziert, wie zu den dort im Fokus der Aufmerksamkeit stehenden Ernährungspraktiken. 


Insekten und Würmer stehen in Zeiten, in denen die Weltbevölkerung wächst, die ökologischen Ressourcen dagegen knapp werden, allerdings schon seit längerem auch als potentiell günstige und nahrhafte Nahrungsmittel der Zukunft in der Debatte. Nicht nur B- und C-Promis im Privatfernsehen oder besonders mutige Weltreisende verspeisen Heuschrecken und Grillen, auch Wissenschaftler oder Umweltaktivisten werden nicht müde, sich bei deren Verzehr zu zeigen. Ihr Ziel: Aufklärung betreiben und kulinarischen Ekeln entgegenwirken. 

Der sogenannte Ekelfaktor ist ein ganz entscheidender, beim Dschungelcamp und ebenso bei der Diskussion über das Essen von Insekten und ähnlichem Getier. Gerade im Dschungelcamp wird der Ekel noch einmal ganz besonders inszeniert. Die Kandidaten winden sich, verziehen das Gesicht, würgen und übergeben sich. Doch die meisten überwinden sich und essen, was ihnen vorgesetzt wird. Hilft das den Zuschauern, ihren eigenen Ekel vor Kakerlaken, Maden und ähnlichem zu bewältigen und vielleicht doch einmal zu Heuschrecke in Mangosoße zu greifen?

Insektenessen ist heutzutage nicht nur in Fernsehshows präsent. Es ist zum Beispiel auch Thema von seriösen Dokumentationen oder Universitätsseminaren. Studentinnen diskutieren sachlich, ohne eine Miene zu verziehen, über die Möglichkeiten und Schwierigkeiten, alltägliche Ernährungspläne durch Insekten und Würmer zu ergänzen. Auf Arte wird von einer industriell organisierten Aufzucht von Insekten in der Nähe von Toulouse berichtet, zerkleinerte Mehlwürmer werden dann nachher in Keksen verarbeitet und vor den Augen der Zuschauer verkostet. Alles ganz unaufgeregt. Es wird darauf hingewiesen, dass sie viele Nährstoffe enthalten und bei der Zucht nur einen verhältnismäßig geringen Ressourceninput benötigen. Eine effiziente Nahrungsumwandlung nennt man das. Wenn man dies sieht oder die Diskussion der Studentinnen verfolgt, kommt ein Ekelgefühl gar nicht mehr  auf.

Anders als beim Dschungelcamp. Zum einen fällt es sowieso schon schwer, irgendwelche Identifikationsambitionen mit dem Dschungelpersonal zu entwickeln. Es sind merkwürdige Personen die aus obskuren Gründen  skurrile Dinge tun. Zum anderen werden die Insektenspeisen auch noch immer wieder anderen, etablierten Lebensmitteln zum Vergleich gegenüber gestellt. Wenn dann die Camper erleichtert zum Schokoriegel oder ähnlichem greifen, lässt das die Insektenmahlzeit in einem extra schlechten Licht stehen. Hier wird nicht gelernt, einen eigentlich unbegründeten Ekel rational zu bezwingen, sondern er wird stattdessen noch einmal selbstquälerisch verstärkt. Eine sanfte Ernährungs(r)evolution des vorherrschenden Speiseplans, bei der der Ekel vor Insekten und Würmern langsam abgebaut wird, sieht anders aus. Das irrationale Nahrungstabu, Kleinsttiere zu verzehren, wird wohl trotzdem, aber außerhalb des Dschungelcamps überwunden werden.

cupcake der aus mehlwuermern gemacht und mit einer heuschrecke garniert ist