Freitag, Juli 28, 2006

(61) Die Konstruktion der Realität II (LRM16)

Unterhaltungsformate sind mit einer zweiseitigen Form beschreibbar. Auf der einen Seite die "sog. 1. Realität", auf der anderen Seite die "fiktionale Realität". Der Rezipient kreuzt nun diese beiden Seiten unentwegt und vermengt seine auf beiden Seiten der Form abwechselnd gesammelten Erfahrungen.

Die Irritationen die über die Massenmedien dabei an den Rezipienten herangetragen werden, stehen gleichzeitig massenhaft überall zur Verfügung. Es entstehen an vielen Orten gleichzeitig Anschlussmöglichkeiten für Kommunikation. [Es entsteht ein GLokale Kultur. Anm. D.K.]. Den unterschiedlichen Bedürfnissen Einzelner muss dann über Programmdiversifkation Rechnung getragen werden. Das ist schon deshalb nötig, um die nötige Redundanz für den konkreten Anschluss der Rezipienten zu gewährleisten.
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Durch die Irritationen, die beim sammeln und präsentieren von Informationen entstehen, bildet sich ein gesellschaftsweiter Horizont "selbsterzeugter Ungewissheit" aus, der ständiger neuer Irritation mit Informationen bedarf. Dieser Horizont bestimmt die funktionale Aufgabe, welche Massenmedien für die Gesellschaft übernehmen. "Sie steigern die Komplexität von Sinnzusammenhängen, in denen die Gesellschaft sich der Irritation durch selbstreproduzierte Differenzen aussetzt." (S.150)
Die Massemedien bilden Meinungen und Gegenmeinungen, Erwartungen, Illusionen und Desillusionen zu den gängigen Kommunikationen der Gesellschaft und schließen an ihre eigenen Kommunikationen (inkl. den Beiträgen zu ihren Beiträgen) wieder an.
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Auf der Zeitebene hat das dann wohl vor allem desillusionierende Wirkung, denn schnell wird deutlich, dass alles was gegenwärtig ist, das Nachher zu einem Vorher ist und das Vorher zu einem folgen könnenden Nachher. Man weiß nichts mehr schlussletzendlich. Man weiß nur: Dies ist der aktuelle Stand der Dinge - und man tut gut daran, den nicht für das Ende aller Dinge zu halten. Dennoch liegt der Punkt für notwendige Entscheidungen natürlich in der Gegenwart.
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Mit dem Gebrauch der Massenmedien steigt die gesellschaftsweite Beobachtung 2. Ordnung an. In den Massenmedien wird nur in Bezug auf die Unterscheidung "Was" wird "Wie" beobachtet beobachtet. Die Unterscheidung für voraussetzungsvollere Kommunikation, die Unterscheidung zwischen "Information" und "Mitteilung" wird weit verbreitet zum "Verstehen" offeriert.
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Wenn die massenmediale Beobachtung zweiter Ordnung reflektiert wird, werden Kulturanalysen produziert. Denn Kultur, so Luhmann, "ist ein Produkt und zugleich das Alibi der Massenmedien". Weiterführend zu "Kultur" vgl. die Kommentare zu Post 56.
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Massenmedien versorgen die angekoppelten psychischen Systeme - ihre Rezipienten - mit Beispielen für Freiheiten, für Alternativen, die in dieser Gesellschaft zu finden sind. Sie zeigen dabei, unendlich mehr Freiheiten als einem selbst zur Verfügung stehen. Dass führt zu einem disbalancierten Verhältnis der allgemeinen Wahrnehmung von Freiheitsspielräumen auf allen Ebenen und erzeugt dementsprechend in dieser Hinsicht enorme Unsicherheiten.

Mittwoch, Juli 26, 2006

(60) Die Konstruktion der Realität I (LRM15)

Der radikale Konstruktivismus als Erkenntnisprogramm systemtheoretischer Forschung führt die Beobachtung der Wirklichkeit weg von theologischen und posttheologischen Theorien, die einen objektiven oder zumindest subjektiven Gegenstand außerhalb der Forschung annahmen, auf den sich selbige beziehen müsse und verweist statt dessen, als Ausgangspunkt von Berechnungen der Beobachtung von Realität auf eine systeminterne Konstruktion: das Systemgedächtnis.

Wenn es jetzt aber keine (zumindest irgendwie bestimmbares) seiendes Wahres gibt, dass das Wirkliche ist (vgl."Post 4"), woher kommt dann die sozialverbindliche Weltkenntnis der modernen Gesellschaft? Auf jeden Fall eher aus den Massenmedien, als aus der Wissenschaft.



Aber welche Realität erzeugen die Massenmedien? Welche Selektionen finden statt, wenn Weltbilder produziert werden? Wie werden im Medium der Kausalität, Ursache-Wirkungs-Verhältnisse geformt, die dann als Ausschnitte aus einer überkomplexen Welt, als Kausalschemata gelten?

Massenmedien stellen ihre Berichte gerne in einen, anscheinend nicht mehr weiter aufschlüsselbaren Faktenbezug. Da dieser aber oft genug verkürzt und verknappt und offensichtlich (min.) einen blinden Fleck mitführt, werden auch Emotionen, Appelle und Proteste erzeugt. Mit Michel Houellebecq könnte man sagen, letztlich läuft es darauf hinaus, dass wenn einem nichts mehr einfällt, man immer noch mit den Menschenrechten kommen kann.

Der ständige Bezug von Kommunikation auf Sinnzusammenhänge, führt dazu, dass Kommunikation den Sinn den sie mitführt, letztlich nie völlig entscheidend auf entweder konkrete Information oder, auf der anderen Seite, auf die mitgeführte Mitteilungsabsicht aufteilen kann. Und zwar weil wenn die aktuelle Kommunikation vorangegangene Kommunikation reflektiert, sie erstens eine vergangene Operation beobachtet und das heißt gegenwärtig eine Vergangenheitsvorstellung erzeugt, und zweitens im gleichen Dilemma festsitzt wie die beobachtete Kommunikation. Auch hier ist wieder nur unscharf klar was Information und was Mitteilungsabsicht ist. Was also Manipulation ist und was nicht, kann letztlich nicht eindeutig entschieden werden.

[Es läuft also wieder einmal darauf hinaus, dass Unsicheres mit Unsicherem kompensiert wird und dass kann eigentlich nur zu Verunsicherung führen. Wir haben hier eine Theorie, die versucht mit Unsicherheit zu arbeiten und nicht, die Geschichte der Unsicherheit in eine Form der Sicherheit zu verwandeln - allerhöchstens vielleicht in einem Medium der Unsicherheit (locker gekoppelt, dauerhaft stabil) Formen der Sicherheit (feste gekoppelt, permanent instabil) zu generieren, was aber lediglich das Medium der Unsicherheit reproduziert. Anm. D.K.]

Im Bereich der Nachrichten werden Probleme die Lösungen erfordern, die zu Problemen führen die Lösungen erfordern usw. mittels Brüchen auf der Zeit- und Sozialachse der Selbstbeobachtung der Gesellschaft erzeugt, wobei vorzugsweise Konflikte und Diskontinuitäten ins Blickfeld geraten. So kommt einem die Ges. furchtbar unruhig vor - solange man sich informiert - und sobald man in der sog. 1.Realität ist stellt man dann fest, dass doch vieles für die Alltagswahrnehmung sehr dauerhaft und wiederkehrend ist.

Wir schauen aber weiter in die Zeitung oder "in die Röhre" und stellen fest, dass zwischen aktuellem und potentiellem Zustand unterschieden wird. Über moralisierende Kommunikation, wird der Unruhefaktor noch verdoppelt. Es ist so wie es ist - aber es müsste anders sein.

Unterhaltung und Werbung sind ebenfalls doppelt beunruhigend. Zunächst wird in der Werbung über Neuigkeiten informiert, um dann im zweiten Schritt ein Gefühl zu erzeugen, bei dem der eigene Status quo des Zuschauers in ein Vergleichsverhältnis mit unendlich vielen anderen Möglichkeiten gestellt wird, wobei recht schnell der Eindruck entstehen muss, dass meiste "Schöne und Gute" / " Sex" findet woanders statt (allerdings gilt das für die andere Hälfte: "& Crime" auch).


(59) Blog Aktuell

on the road ... again...

während andere Bewusstsein und Organismus in der Sonne brutzeln lassen und in Zeitschriften Artikel über Hautkrebs lesen, ziehe ich mich in meine Kosmokogninautenkapsel zurück und lass mich (wieder) von der kühlen (System)Theorie erfrischen... zum schwitzen kommt nur die Technik - die Beobachtung treibt auf der Luftmatratze im Swimmingpool der Kommunikation... und der ist ein Weltmeer.

in this way... go on.....


Dienstag, Juli 11, 2006

(58) Blog Aktuell

Pause! Sendepause!

Ich schreibe in zwei Wochen eine Diplomklausur (wenn auch nur eine "kleine") und werde mich bis dahin in Medien & ihre Funktionen - Blog- Abstinenz üben. Danach geht es weiter mit Luhmanns Realität der Massenmedien und zwar mit den zwei vielversprechenden Kapiteln "Die Realität der Konstruktion" und "Die Konstruktion der Realität". Da brodelt es doch in den angekoppelten psychischen Systemen .... oder ?! ;-)

Bis dahin läuft das Testbild ......

In this way, go on..................


Freitag, Juli 07, 2006

(57) Individuen (LRM14)

Weiterhin stellt sich die Frage, nach der Einheit verschiedener Programmbereiche in (nur) einem System der Massenmedium.

Neben dem gemeinsamen Gebrauch der gleichen Codierung (Information/Nicht-Information), sowie der gleichen Technologie, wird nun noch die Verfügbarmachung individueller Motivlagen für Kommunikation angeführt. Das heißt: In der kommunikative Darstellung wird eine bestimmte Form der Zurechnung von Ereignissen auf bestimmte Individuen(gruppen) vorgenommen. Mit Ereignissen sind Handlungen gemeint, die über Motive kausal Individuen zugeschrieben werden.



Die Massenmedien konstruieren dazu, in Abgrenzung zum passiven Zuschauer, einen aktiven prominenten Medienpersönlichkeitstyp, der als handlungsfähig behandelt wird. Nur wer in der Medien vorkommt, also mediale Aufmerksamkeit erlangt, wird als Handelnder wahrgenommen. Oder sie suggeriert dem passiven Zuschauer Handlungsfähigkeit, wenn er sich aufmacht und so handelt, wie es die Werbung empfiehlt. Der Konsument kann dann glauben, dass er als Homo-Oeconomicus rationale Marktentscheidungen trifft, solange er ausblendet, dass seiner vollständigen Informiertheit kontingente Informationsselektionen vorausgegangen sind.

Noch einmal ganz anders die Unterhaltung. Im "Medium der narrativen Fiktionalität" werden Personen mit selbsterzeugten Biographien geschaffen. Dem Zuschauer bleibt dabei die freie Wahl, sich mit den Situationen und den Ereignissen der Geschichte zu identifizieren, Rückschlüsse auf sein eigenes Leben zu ziehen - oder nicht.

Paradox wird diese Form dadurch, dass das Individuum gleichzeitig individualisiert + entindividualisiert, uniformiert + fiktionalisiert wird. Der Komplexität der individuellen Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft wird innerhalb der Gesellschaft (-> also aller Kommunikation) rechnung getragen, indem bestimmte Standards geschaffen werden, auf die die Kommunikation zugreifen kann, ohne alle individuell-spezifischen Operationen und all die permanenten Abweichung berücksichtigen zu müssen, welche die einzelnen Individuen miteinbringen. Auf der anderen Seite ist es den Individuen möglich, sie an Standards zu orientieren und genau daran Anpassungen und Abweichungen zu produzieren - totale Ablehnung eingeschlossen.

Der Mythos Mensch der auf der Innenseite der Massenmedien konstruiert wird, ist der selbstreferentielle Durchgriff auf eine auf der fremdreferentiellen Seite verortete Erscheinung, die man unter systemtheoretischen Gesichtspunkten mit der co-evolutionäre zur Gesellschaft entstandenen Erscheinung "psychische Systeme" beschreibt.

Wir wissen natürlich nicht durch die Massenmedien was der Mensch wirklich ist, was er wirklich will etc., aber es ist ein erfolgreiches Konzept, dass die Massenmedien immer wieder wissen, was sie für den Menschen halten und was dieser von ihnen will/wollen könnte.


Montag, Juli 03, 2006

(56) Einheit und strukturelle Kopplung (LRM13)

Es sind 3 Programmbereiche vorgestellt worden ( "Nachrichten", "Werbung" und "Unterhaltung I" "/II" ), die zwar unabhängig voneinander im System der Massenmedien bestehen, jedoch nicht ganz ohne gegenseitige Einflussnahme aufeinander, nebeneinander existieren. Zusätzlich benutzen alle drei auch noch dieselben technischen Medien. Darum sind bestimmte Signale/Redundanzen erforderlich, die deutlich machen, um welchen Programmbereich es sich gerade handelt. So verwischen schon mal die Grenzen von Information und "guter" Unterhaltung oder Werbung wird etwas zu deutlich als Verbraucherinformation dargestellt.
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Wieso handelt es sich nun, obwohl es (mindestens; Anm. DK) drei Programmbereiche umfasst, um nur ein System der Massenmedien?

Die Antwort liegt in der speziellen Art der weiterführenden Kommunikation in anderen Systemen, die die Kommunikation der massenmedialen Kommunikation als Voraussetzung nehmen, aber von dieser so nicht explizit mitkommuniziert werden. Vor der Hintergrundrealität der Massenmedien lassen sich verstärkt abweichende und individuelle Einstellungen leichter entwickeln und kommunizieren, wobei das was in dem Massenmedien mitgeteilt wurde als soziales Gedächtnis vorausgesetzt wird.

Diese Gedächtnisfunktion, dass man massemedial Veröffentlichtes nicht mehr extra begründen muss, sondern voraussetzt, dass sich jeder daran erinnert, bildet als zweite Realitätsebene eine an der sich die so genannte erste Realität immer orientiert, die sie aber nicht als konsenspflichtig ansehen muss.
 
Die unterschiedlichen Programmbereiche bewirken dieses Gedächtnis gemeinsam und stellen gemeinsam einen Pool von Informationen bereit, aus dem sich dann im Alltag die Alltagskommunikation bedienen kann, um die Verstehenskomponente erfolgreich wahrscheinlicher zu machen. Insofern sind Massenmedien am ehesten mit der Unterscheidung von Medium und Form zu beschreiben, was den Erklärungsansatz, sie als System der MassenMEDIEN zu beschreiben, noch einmal verstärkt ("Soziale Differenzierung; Post 26.6.06 und spätere"). Und gerade dazu, welche Form(en) die Massenmedien annehmen, dazu leisten auch alle Programmbereiche parallel laufend ihre Beiträge.

Dass dennoch die Binnendifferenzierung der verschiedenen Programmbereiche beobachtet werden kann, ist mit den unterschiedlichen strukturellen Kopplungen, welche die Massenmedien mit den unterschiedlichen Programmbereichen zu ihrer Umwelt unterhalten, begründet.

Die Werbung koppelt die Wirtschaft an die Massenmedien, die Unterhaltung die Kunst/Kultur, die Nachrichten die Politik (und die Wissenschaft; Anm. DK) an das System der Massenmedien.

Die Zuschauer beobachten durch die Massenmedien aber die jeweiligen Systeme nicht direkt, sondern üben sich im beobachten von Beobachtern. Der Erfolg von "bildblog.de" basiert z.B. darauf, dass ein massenmediales Format (hier "BILD" ) daraufhin beobachtet wird, wie es den Konflikt zwischen der eigenen Realität und der Realität die es beobachtet, auf seine eigentümliche Art mit eigenen Realitätskonstruktionen bewältigt. Besonders lustig ist in Endlosschleife dann, wie es sich immer wieder selbst diskreditieren muss, um zwar weiterhin die interessanten Themen behandeln zu können, aber nicht durch wenig hilfreiche Altlasten, bei einmal zu schnell abgegebenen Kommentaren, auf eine nicht mehr zu haltende Schiene festgenagelt zu sein.
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... was nicht ausschließt, dass bei wenigen zur Verfügung stehenden Informationen schwerer eigene Meinungen behauptet und entwickelt werden können, als bei entsprechend höherem Informationsgrad.