Dienstag, August 26, 2008

Emergenz re-loaded

Emergenz ist kein neuer Begriff, auch wenn Laughlin`s Buch von einer gewissen Überraschung in dieser Hinsicht zeugt. Ich selbst bin, wie könnte es anders sein, bei der Luhmann-Lektüre während des Studiums auf dieses Phänomen höherer Ordnung gestoßen. Verbunden mit diesem Begriff war immer, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Dieser Satz wiederum führte, und ich glaube das geschah auch ziemlich schnell (spätestens in einer Vorlesung von Alois Hahn), zu der Erkenntnis, dass gleichzeitig das Ganze auch weniger ist als die Summe seiner Teile. Viele Eigenschaften des Individuums bspw. finden sich nicht mehr in den Verhaltensweisen des Kollektivs, welches sich aus Individuuen zusammensetz, aber ganz eigenen Regeln folgt, nicht mehr wieder. Dabei kann es sich u.a. um Verhalten, Handlungen oder Kommunikationen handeln, die in anderen Kollektiven als dem beobachteten vollzogen werden, aber auch um so genuin individuelle Phänomene, dass wir sie gemeinhin der Psychologie zurechnen, wie etwa Träume.

Das führt mich zu der Frage, die einmal mein Freund Lars Alberth in den virtuellen Raum warf: "Wovon träumt die Gesellschaft?". Weit entfernt diese Frage beantworten zu können, denke ich bei Traum nicht zuerst an Siegmund Freud, sondern an den Surrealismus. Dieser verspricht die Einheit von Traum und Wirklichkeit (vgl. André Breton, Erstes Manifest des Surrealismus) - einer emergenten Ordnung zweier einzelner Realitäten also. Deren Entdeckung steht aber, so meine Einschätzung, noch aus. Und ich habe sogar den Eindruck, die Rationalität tut alles, um die Latenz auch wirklich latent zu halten.


Verschwinden die Träume im emergenten Phänomen Gesellschaft?

Oder gibt es ein emergentes System der Träume, welches wir noch nicht entdeckt haben?

Wann löst sich die Rationalität in ein Suprasystem von Rationalität und Traum auf?

Sonntag, August 24, 2008

Zitat

"Wenn wir also von universellen Größen sprechen, so meinen wir eigentlich die Experimente, mit denen wir sie messen."


Als einem Dirk Rustemeyer-Schüler ist mir dieser Gedanke natürlich schon einmal begegnet. Und zwar in einem Seminar in Trier, in dem die Frage nach dem Sein gestellt wurde. Wir lasen dort unter anderem einen Text von Hans-Jörg Rheinberger, der explizit die Frage nach dem Experiment und den an ihm Beteiligten stellte. Beteiligt sind ja nicht nur die beteiligten Personen, sondern auch die Apparate (Computer, Taschenrechner, Laser, Fragebögen etc.), und auch die Kommunikationen, die ein solches Experiment produziert. Wobei man auf keinen Fall die "inoffiziellen"/"informellen" Schriftstücke, Bilder und Sprechakte vergessen darf, die scheinbar als Abfallprodukte erzeugt werden und dabei eine enorm strukturierende Rolle, mit hohen Ressonanzwirkungen spielen. So kann man vielleicht - ich jedenfalls tue dies - erstaunt in seinen Notitzblock blicken und sehen, wie man sich selbst oder auch andere bei diesem oder jenem beobachtet hat, sich Gedanken(fetzen) notierte, und so ein Labyrinth schuf, durch das gegangen zu sein, man sich nachher rühmt und welches auf diesem Weg ordentlich analysiert und die Ergebnisse sauber katalogisiert wurden. PowerPoint wirft dann appetitliche Kuchen und träumerische Balken an die Wand, vergessen hingegen, der kritzelige Schmierzettel. Er liegt begraben im Papierkorb und nichts erinnert mehr daran, dass auf ihm die Konstruktionspläne sich kristallisierten.


Diese Notitzen waren Teil der Entwicklung eines Kokons, den ich mir zu bauen gedachte und in dem ich und einige soziologische Ideen, später sehr gut übersommern konnten...

Samstag, August 23, 2008

Blog Aktuell

Seit dem letzten Blogeintrag ist viel Zeit vergangen und während "hier" im virtuellen Raum nichts geschah, ist "hier" in der nicht-virtuellen Welt viel passiert. Deswegen heißt der Blog auch nicht mehr "Medien und ihre Funktion" sondern "Soziologischer Bastelkurs". Dieser neue Titel lässt mir mehr Freiheitsgrade, was unter seiner Überschrift zu konditionieren ist und das wird dem Schreibfluss, so meine Vermutung, gut tun.

Dennoch werde ich mich kurz selbst theoretisch positionieren. Dies geschieht zum einen, um ungefähr klar zu machen, wie der Stand der Dinge ist, aber auch, um mich von dieser Position hoffentlich im Laufe der Zeit zu entfernen - und sei es nur, um nachher wieder zu ihr zurückzukehren.

Also: Ich bin, nachdem ich mich sehr stark in die Systemtheorie von Niklas Luhmann und Dirk Baecker eingearbeitet habe unter anderem zu Michel Serres gelangt. Die Verbindung zwischen den dreien liegt für mich in ihrem kommunikationstheoretischen Bezug, in ihrer Differenztheorie und ihrem Verständnis von Information. Differenzen, da folge ich Dirk Backer (Form und Formen der Kommunikation) liegen unter anderem darin, dass es Luhmann vor allem um eine Systemtheorie, Baecker um eine Kommunikationstheorie und Serres um eine Theorie des Boten geht. Wobei mich in meiner Diplomarbeit mit einem Beitrag zur Phänomenologie des Kulinarischen in der fruchtbaren Kombination dieser drei Theorien versucht habe.

Desweiteren suche ich zur Zeit in naturwissenschaftlichen Publikationen nach Möglichkeiten eines Theorietransfers in die Gesellschaftswissenschaft. Erste Schritte habe ich mit "Stabile Ungleichgewichte" von Reichholff und mit "Abschied von der Weltformel: Die Neuerfindung der Physik" von Laughlin unternommen. Vieles was ich dort gelesen habe ist natürlich schon in die Systemtheorie eingegangen: Stabile Ungleichgewichte, offene/geschlossene Systeme, Emergenz etc. Dennoch sehe ich gerade bei der Entwicklung meines Emergenzbegriffs noch großes Potential.
Als gesellschaftstheoretische Lektüre steht nun zunächst einmal "Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft" von Latour auf dem Programm.