Mittwoch, April 23, 2014

CfP Hedonistische Routinen und die Lust an der Krise - Ad-Hoc Gruppe Soziologiekongress 2014 (Trier)


Call for Paper

Hedonistische Routinen und die Lust an der Krise – Soziologische Perspektiven auf Genuss und Glück in der Gegenwartsgesellschaft

Ad-hoc-Gruppe auf dem 37. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Trier, 6.-10. Oktober 2014

Organisatoren: Daniel Kofahl und Benjamin Berend

Laut den Sinus-Milieus gibt es ein Hedonistisches Milieu, das etwa 15 Prozent der in Deutschland lebenden Bevölkerung ausmacht. Zum überwiegenden Teil scheint es sich bei diesem genussorientierten Milieu jedoch um ein Phänomen der Unterschicht oder der unteren Mittelschicht zu handeln. Ist Genussorientierung als zentrales Lebensmotiv also etwas, das sich erst in der auf Dauer eingerichteten Krisenhaftigkeit der eigenen Lebenssituation etablieren kann? 

Diese These ist fraglos nur dann haltbar, wenn eine sehr spezifische Genusstheorie zum Einsatz kommt, welche Hedonismus auf die Form eines eindimensionalen Eudämonismus reduziert (Marcuse). Doch warum geschieht dies nicht nur in den von Sinus konstruierten Lebensstilmilieus, sondern vielfach auch an anderen Stellen im Diskurs über Glück und Lust? Obwohl unterschiedlichste, auch sozialphilosophische Hedonismustheorien ausgearbeitet wurden (von John Stuart Mill über Herbert Marcuse bis hin zu Michel Onfray) ist zwar die Glücks- und Lustsuche als ein sinnkonstituierendes Moment der Lebensführung in der Moderne anerkannt, eine zu starke Fokussierung darauf oder die dauerhafte Glück- und Lusterfüllung gilt jedoch als verdächtig (Pfaller). Wer – scheinbar – fortwährendes Glück und dauerhafte Lust gefunden hat oder als zentralen Lebensinhalt postuliert, scheint entweder nicht den nötigen Ernst aufzubringen, der die Lebensstilkonzepte der höheren Schichten kennzeichnet (Schulze), oder die Krisenhaftigkeit der modernen Weltrisikogesellschaft (Beck) nicht angemessen zu reflektieren. 

Gleichzeitig gibt es jedoch auch organisierte Glücks- und Lustausbrüche aus dem ansonsten stark von Berufsorientierung und individueller Selbstverwertung geprägten Alltag, der eine Form moderner Askese einfordert (Weber). In wiederkehrenden Routinen – am Wochenende, an Karneval, auf Festivals, bei rituellen Festlichkeiten etc. – bestehen Möglichkeiten eines teilweise auch exzessiven Genusserlebens. Diese Genussausbrüche sind gefolgt von Krisenroutinen, bspw. wenn es darum geht mit den Nachwirkungen des paradoxerweise ebenso routinierten, aber dennoch außeralltäglichen Exzesses seinen Weg in den gänzlich anderen Alltag zu finden. Es ist davon auszugehen, dass unterschiedliche Kulturen der Gegenwartsgesellschaft ein ausdifferenziertes Spektrum an Handlungsschemata und Praktiken zur Verfügung stellen, um diesen Switch sozial zu organisieren. 

Im Anschluss an diese Problemperspektiven soll in Vorträgen der Ad-Hoc Gruppe diskutiert werden, wie sich die Gesellschaft auf die Routinen und Krisen von sozialen wie auch persönlichen Genuss- und Glückserfahrungen strukturell einzustellen vermag und welche Perspektiven die Soziologie für die Beobachtung von Glück, Genuss und Lust in der Gegenwartsgesellschaft bereit hält. Hieran schließen sich analytische Fragen an. So wäre etwa zu diskutieren, ob sich in einer Vielzahl nebeneinander existierender Glücks- und Lustpartikularitäten eine hedonistische Komplexität ausdrückt oder ob die moderne Gesellschaft einen Diskurs über hedonistische Praktiken als Potential für eine in die Zukunft gerichtete Selbstbeschreibung fruchtbar machen könnte. 

Um thematisch eine gewisse Eingrenzung des Feldes zu erreichen, sollen zuvorderst ernährungs- und bildungssoziologische Beiträge eingeworben werden. Die Bereiche Ernährung und Bildung spiegeln in mannigfaltiger Hinsicht Spannungsfelder wie Genuss und Askese, Lust und Pflicht oder schlicht Glück und Krise wider. 

An einem der Themenbereiche und an einem Vortrag Interessierte bitten wir, bis spätestens 9. Mai 2014 einen Abstract (max. 1500 Zeichen) per Mail an die Organisatoren der Ad-Hoc-Gruppe einzureichen. Über die Annahme wird zeitnah entschieden.

Dipl.-Soz. Daniel Kofahl
Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur - APEK
Gelsterstr. 8
37213 Witzenhausen
Tel.: 05542 9690490
Kofahl@APEK-Consult.de

Benjamin Berend, Wiss. Ma.
Universität Trier
FB I: Bildungswissenschaften
Lehrstuhl für empirische Lehr-Lern-Forschung und Didaktik
Universitätsring 15
54296 Trier
Tel: 0651 201 4734
berend@uni-trier.de

(Das Goldene Zeitalter, Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren, um 1530)