Call for
Paper
Hedonistische
Routinen und die Lust an der Krise – Soziologische Perspektiven auf Genuss und
Glück in der Gegenwartsgesellschaft
Ad-hoc-Gruppe
auf dem 37. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
Trier,
6.-10. Oktober 2014
Organisatoren:
Daniel Kofahl und Benjamin Berend
Laut den
Sinus-Milieus gibt es ein Hedonistisches Milieu, das etwa 15 Prozent der in
Deutschland lebenden Bevölkerung ausmacht. Zum überwiegenden Teil scheint es
sich bei diesem genussorientierten Milieu jedoch um ein Phänomen der
Unterschicht oder der unteren Mittelschicht zu handeln. Ist Genussorientierung
als zentrales Lebensmotiv also etwas, das sich erst in der auf Dauer
eingerichteten Krisenhaftigkeit der eigenen Lebenssituation etablieren kann?
Diese These
ist fraglos nur dann haltbar, wenn eine sehr spezifische Genusstheorie zum
Einsatz kommt, welche Hedonismus auf die Form eines eindimensionalen
Eudämonismus reduziert (Marcuse). Doch warum geschieht dies nicht nur in den
von Sinus konstruierten Lebensstilmilieus, sondern vielfach auch an anderen
Stellen im Diskurs über Glück und Lust? Obwohl unterschiedlichste, auch
sozialphilosophische Hedonismustheorien ausgearbeitet wurden (von John Stuart
Mill über Herbert Marcuse bis hin zu Michel Onfray) ist zwar die Glücks- und
Lustsuche als ein sinnkonstituierendes Moment der Lebensführung in der Moderne
anerkannt, eine zu starke Fokussierung darauf oder die dauerhafte Glück- und
Lusterfüllung gilt jedoch als verdächtig (Pfaller). Wer – scheinbar –
fortwährendes Glück und dauerhafte Lust gefunden hat oder als zentralen
Lebensinhalt postuliert, scheint entweder nicht den nötigen Ernst aufzubringen,
der die Lebensstilkonzepte der höheren Schichten kennzeichnet (Schulze), oder die
Krisenhaftigkeit der modernen Weltrisikogesellschaft (Beck) nicht angemessen zu
reflektieren.
Gleichzeitig
gibt es jedoch auch organisierte Glücks- und Lustausbrüche aus dem ansonsten
stark von Berufsorientierung und individueller Selbstverwertung geprägten
Alltag, der eine Form moderner Askese einfordert (Weber). In wiederkehrenden
Routinen – am Wochenende, an Karneval, auf Festivals, bei rituellen
Festlichkeiten etc. – bestehen Möglichkeiten eines teilweise auch exzessiven
Genusserlebens. Diese Genussausbrüche sind gefolgt von Krisenroutinen, bspw.
wenn es darum geht mit den Nachwirkungen des paradoxerweise ebenso
routinierten, aber dennoch außeralltäglichen Exzesses seinen Weg in den
gänzlich anderen Alltag zu finden. Es ist davon auszugehen, dass unterschiedliche
Kulturen der Gegenwartsgesellschaft
ein ausdifferenziertes Spektrum an Handlungsschemata und Praktiken zur
Verfügung stellen, um diesen Switch sozial zu organisieren.
Im Anschluss
an diese Problemperspektiven soll in Vorträgen der Ad-Hoc Gruppe diskutiert
werden, wie sich die Gesellschaft auf die Routinen und Krisen von sozialen wie
auch persönlichen Genuss- und Glückserfahrungen strukturell einzustellen vermag
und welche Perspektiven die Soziologie für die Beobachtung von Glück, Genuss und
Lust in der Gegenwartsgesellschaft bereit hält. Hieran schließen sich
analytische Fragen an. So wäre etwa zu diskutieren, ob sich in einer Vielzahl
nebeneinander existierender Glücks- und Lustpartikularitäten eine hedonistische
Komplexität ausdrückt oder ob die moderne Gesellschaft einen Diskurs über
hedonistische Praktiken als Potential für eine in die Zukunft gerichtete
Selbstbeschreibung fruchtbar machen könnte.
Um
thematisch eine gewisse Eingrenzung des Feldes zu erreichen, sollen zuvorderst
ernährungs- und bildungssoziologische Beiträge eingeworben werden. Die Bereiche
Ernährung und Bildung spiegeln in mannigfaltiger Hinsicht Spannungsfelder wie
Genuss und Askese, Lust und Pflicht oder schlicht Glück und Krise wider.
An einem der
Themenbereiche und an einem Vortrag Interessierte bitten wir, bis spätestens 9.
Mai 2014 einen Abstract (max. 1500 Zeichen) per Mail an die Organisatoren der
Ad-Hoc-Gruppe einzureichen. Über die Annahme wird zeitnah entschieden.
Dipl.-Soz. Daniel Kofahl
Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur - APEK
Gelsterstr. 8
37213 Witzenhausen
Tel.: 05542 9690490
Kofahl@APEK-Consult.de
Benjamin Berend, Wiss. Ma.
Universität Trier
FB I: Bildungswissenschaften
Lehrstuhl für empirische Lehr-Lern-Forschung und Didaktik
Universitätsring 15
54296 Trier
Tel: 0651 201 4734
berend@uni-trier.de
(Das Goldene Zeitalter,
Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren, um 1530)