Jetzt ist es wieder soweit. Die neue Staffel Dschungelcamp ist
gestartet und es geht auf ausgetretenen Pfaden weiter. Das gilt auch für die
kulinarischen Episoden, denn wieder werden Insekten, Würmer und anderes
Kleinstgetier auf den Speiseplan gesetzt. Diese essthätisch zweifelhaften
Prüfungen sind ein Garant für die Aufmerksamkeit des Publikums und, was noch
interessanter ist, für die anhaltenden, öffentlichen Diskussionen über das
Fernsehformat hinaus. Zu kaum einem anderen Aspekt des Dschungelcamps werden so
viele Anschlusskommunikationen produziert, wie zu den dort im Fokus der
Aufmerksamkeit stehenden Ernährungspraktiken.
Insekten und Würmer stehen in Zeiten, in denen die
Weltbevölkerung wächst, die ökologischen Ressourcen dagegen knapp werden,
allerdings schon seit längerem auch als potentiell günstige und nahrhafte
Nahrungsmittel der Zukunft in der Debatte. Nicht nur B- und C-Promis im
Privatfernsehen oder besonders mutige Weltreisende verspeisen Heuschrecken und Grillen,
auch Wissenschaftler oder Umweltaktivisten werden nicht müde, sich bei deren
Verzehr zu zeigen. Ihr Ziel: Aufklärung betreiben und kulinarischen Ekeln
entgegenwirken.
Der sogenannte Ekelfaktor
ist ein ganz entscheidender, beim Dschungelcamp und ebenso bei der Diskussion
über das Essen von Insekten und ähnlichem Getier. Gerade im Dschungelcamp wird der
Ekel noch einmal ganz besonders inszeniert. Die Kandidaten winden sich,
verziehen das Gesicht, würgen und übergeben sich. Doch die meisten überwinden
sich und essen, was ihnen vorgesetzt wird. Hilft das den Zuschauern, ihren
eigenen Ekel vor Kakerlaken, Maden und ähnlichem zu bewältigen und vielleicht
doch einmal zu Heuschrecke in Mangosoße zu greifen?
Insektenessen ist heutzutage nicht nur in Fernsehshows
präsent. Es ist zum Beispiel auch Thema von seriösen Dokumentationen oder
Universitätsseminaren. Studentinnen diskutieren sachlich, ohne eine Miene zu
verziehen, über die Möglichkeiten und Schwierigkeiten, alltägliche
Ernährungspläne durch Insekten und Würmer zu ergänzen. Auf Arte wird von einer
industriell organisierten Aufzucht von Insekten in der Nähe von Toulouse berichtet,
zerkleinerte Mehlwürmer werden dann nachher in Keksen verarbeitet und vor den
Augen der Zuschauer verkostet. Alles ganz unaufgeregt. Es wird darauf
hingewiesen, dass sie viele Nährstoffe enthalten und bei der Zucht nur einen
verhältnismäßig geringen Ressourceninput benötigen. Eine effiziente Nahrungsumwandlung nennt man das. Wenn man dies sieht
oder die Diskussion der Studentinnen verfolgt, kommt ein Ekelgefühl gar nicht
mehr auf.
Anders als beim Dschungelcamp. Zum einen fällt es sowieso schon
schwer, irgendwelche Identifikationsambitionen mit dem Dschungelpersonal zu
entwickeln. Es sind merkwürdige Personen die aus obskuren Gründen skurrile Dinge tun. Zum anderen werden die
Insektenspeisen auch noch immer wieder anderen, etablierten Lebensmitteln zum
Vergleich gegenüber gestellt. Wenn dann die Camper erleichtert zum Schokoriegel
oder ähnlichem greifen, lässt das die Insektenmahlzeit in einem extra
schlechten Licht stehen. Hier wird nicht gelernt, einen eigentlich
unbegründeten Ekel rational zu bezwingen, sondern er wird stattdessen noch einmal
selbstquälerisch verstärkt. Eine sanfte Ernährungs(r)evolution des
vorherrschenden Speiseplans, bei der der Ekel vor Insekten und Würmern langsam
abgebaut wird, sieht anders aus. Das irrationale Nahrungstabu, Kleinsttiere zu
verzehren, wird wohl trotzdem, aber außerhalb des Dschungelcamps überwunden
werden.
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cupcake der aus mehlwuermern gemacht und mit einer heuschrecke garniert ist |