Montag, Juni 19, 2006

(52) und jetzt: WERBUNG (LRM10)

Die Werbung ist der Programmbereich der Massenmedien, der sich am stärksten mit Manipulationsvorwürfen konfrontiert sieht - und sich auch am meisten Mühe macht, diesen Vorwürfen gerecht zu werden.

Während die Motive der Werbung offen auf dem Tisch liegen ("Verbraucherinformation" ;-) ), sind ihre Mittel weniger durchsichtig. Als Ziel ist das Gedächtnis der Zuschauer anvisiert - dort will man Elemente als Erinnerungen verankern. Primär darf man nicht vergessen werden.

Mit "Verbraucherinformation" (den Begriff führe ich hier ein, Luhmann gebraucht ihn nicht) ist zweideutig darauf hingewiesen, dass man die Zuschauer zwar zu Einstellungsänderungen (nämlich zu "Kaufabsichten") bewegen will, sie diesen Schritt aber alleine vollziehen sollen. Die Motive der Werbung werden durch schöne Präsentationen verschleiert. (Gelegentlich schafft es dann die ein oder andere Werbung auch jenseits der Werbezeiten/-spalten eine Funktion der Unterhaltung zu entwickeln: siehe als Beispiel: Honda)

Formen des paradoxen Sprachgebrauchs vereinnahmen Gegenmotive. Luhmann führt als Beispiele auf, dass suggeriert wird, man könne durch Geld ausgeben Geld sparen oder offensichtliche Massenprodukte exklusiv erwerben (...wahrscheinlich "nur solange der Vorrat reicht" - außer bei der H&M Unterwäsche Collection, für die mit Naomi Campbell damals auf Blutrot geworben hat, (H&M Campbell), ist mir nicht bekannt, dass der Vorrat irgendwann mal knapp wurde...).

Es geht auf jeden Fall darum, "in ein bereits interessenfixiertes Terrain einzubrechen und eine spezifische Ungewissheit zu erzeugen" (S.88). Interesse wecken für ein neues Produkt, vielleicht auch durch kleine kognitive Anforderung ("welche Firma produziert Knüller-Milch-Reis? Senden Sie die richtige Antwort...") ist die schwierige Aufgabe, denn das Meiste was beworben wird, findet wohl nie einen Platz im Einkaufswagen - und das nicht nur nicht aus finanziellen Gründen.

"Zu den wichtigsten latenten [...] Funktionen der Werbung gehört es, Leute ohne Geschmack mit Geschmack zu versorgen." und dann weiter - !!! - : "Nachdem es sich als unmöglich erwiesen hat, Bildung in Geld umzusetzen, hat die umgekehrte Möglichkeit, Geld als Bildung erscheinen zu lassen, immerhin gewissen Chancen" (S.89).

Symbolisch benutze Objekte versorgen Kunden mit Selektionssicherheiten und mit einer Begehrensstrukturierung, die sonst so nicht möglich wäre, weil es keine wirkliche Selektionskriterien beim Käufer gäbe, auf die dieser zurückgreifen könnte. Ob XXXL-T-Shirts wirklich jedem Hemd stehen und Pony-Frisuren unbedingt zu jedem Damengesicht passen, dies muss man nicht selbst entscheiden (wie sollte man auch: im schulischen Kunstunterricht wird ja nicht Ästhetik, sondern wohl eher Basteln gelernt); es ist jetzt in der Werbung aktuell und bald darauf Mode.

Dass Werbeinvestoren nie wissen, welche Hälfte der Werbekosten, die sie investieren, sich auch wirklich lohnt, verweist auf die eigentümliche Realitätskonstruktion der Werbung. Eine eigene Realität konstruiert sich allerdings durchaus.

Mit dem designen von oftmals kunstvollen Oberflächen wird auf eine weitergehende Tiefe verwiesen, die nicht mit-kommuniziert werden kann, die sich aber an anderer Stelle - vielleicht beim Konsum - eröffnen mag. Wie beim Betrachten eines Kunstwerks lassen sich die ausgelösten Irritationen beim Betrachter nicht auf die Leinwand bringen, entsprechende Kommunikation verweist aber darauf, dass diese zumindest kommuniziert werden (...nicht auszuschließen, dass viele neue Kleider des Kaisers auch mehr symbolischen Zeichencharakter als Outdoor-Qualitäten mitführen...).

Die Funktion der Werbung, so Luhmann, liegt letztlich in der Erzeugung von Redundanz und Varietät. Es geht beim Werben zum einen darum, dass deutlich kommuniziert wird, dass es etwas zu kaufen gibt - und zwar immer (noch). Und zum anderen sollen die beworbenen Produkte konkret von anderen unterscheidbar sein. Das erleichtert dem Konsumenten dann die Wahl.

Allerdings müssen permanent Neuigkeiten her, damit sich auch Neu-Anschaffungen an sich noch funktionstüchtiger Güter rechtfertigen lassen. Diese sollten dann so gut wie die alten, genauso gut wie die anderen und noch ein Quäntchen anders sein.

1 Kommentar:

lars hat gesagt…

Mmmh...eigentlich sollte ich doch Luhmann lesen und Du nach Schnappspralinen suchen? Hast Du demnächst eine Prüfung?