Samstag, Juni 17, 2006

(50) Nachrichten und Berichte (LRM9)

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Kommunikation ist die Erzeugung schönen Scheins, mit denen sich das Individuum vor anderen und damit letztlich vor sich selbst verbirgt.

Realität der Massenmedien S.78



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Nachrichten und Berichte erarbeiten und verarbeiten Ignoranz in Form von Tatsachen. Ignoranz heißt hier wohl, dass in den Nachrichten nur das vorkommt, was denn eigentlich nicht aufgefallen wäre. Und Tatsachen verweist darauf, dass es als ontologisch und kausal vorgeführt wird.

Dabei wird durch das System der Massenmedien eine Normalisierung einer Unwahrscheinlichkeit erreicht: Die tägliche (heutzutage wohl stündliche oder im News-Ticker im Minutentakt) Erzeugung von Information über Neuigkeiten in Form von Nachrichten.

Es müssen zwei Dinge erfüllt sein:

- Erwartungen müssen erzeugt werden, dass immer wieder Neues passiert

und

- es muss professionelle Berichterstattung geben: Journalismus.

Die Mitteilungsform muss suggerieren, dass das Vergangene noch in der Gegenwart Bedeutung besitz, ja am besten, zukünftiges bestimmt. Dafür muss die Wahrnehmung von Kontinuität konstruiert werden.





Die Zeit beginnt dann irgendwann zu rasen und zwar ab dann, wenn die Berichterstattung immer schneller neue Informationen zu Tage fördert, die neue Einflüsse auf die Zukunft haben (können). Praktisch unbeeinflussbar ist die Welt in der "live"-Übertragung.

Informationen im Nachrichtenformat gelten als "wahr". Wahre Informationen zu liefern ist die professionelle Aufgabe der Massenmedien. Das es hier nicht um Wahrheit im Sinne Heideggers/Boventers (vgl. Post 38) ist offensichtlich. Eher scheint es sich um Wahrheit im Sinne von Konsistenz und Nicht-Falsifizierbarkeit zu handeln. So ist es auch keine "wirkliche Wahrheit" sondern komplexitätsreduzierte Wahrheit, im Sinne wie eine Landkarte "wirklich" das abbildet, was sie beschreibt.

Als Folge von "Ausdifferenzierung, Brechung der externen Determination und operativen Schließung" (S.57) schafft das System es intern einen Kommunikationsüberschuss zu erzeugen, auf den es selbstselektiv reagieren kann - und muss - und kann!

Eine Reihe von Selektoren führt Luhmann nun auf, die aus überschüssigen Möglichkeiten, bestimmte Informationen für Nachrichten auswählen, weil sie sich besonders gut eignen. Er erwähnt u.a.

- Neuigkeiten
- Konflikte
- Quantitäten (gibts nichts neues, macht man eine neue Tabelle)
- Normverstöße
- moralische Bewertungen("...haben die MassMedia eine wichtige Funktion in der Erhaltung und Reproduktion von Moral..." (S.64))
- Zurechnung auf Handeln
- Aktualität + Rekursivität
- Äußerung von Meinungen
u.a.

Als letzten, 10. Punkt, wird darauf verwiesen, dass es Organisationen sind, die diese Selektoren benutzen, um Selektionen zu vollziehen. Aber ihre Aufgabe ist vor allem im "Einpassen von Informationen" in "Rubriken und Schablonen".

Der Auswahl- / Auslesevorgang ist ein Konstruieren von Identität(en). Es werden Kontexte geschaffen und auseinander gerissen, es werden Verweise erstellt, Generalisiert und Konfirmiert. --> es entsteht ein -->

"Zusammenhang von Kondensierung, Konfirmierung, Generalisierung und Schematisierung"´

und es steht ein sehr selektives Gedächtnis der Gesellschaft, in dem einiges erinnert und vieles vergessen und das meiste nie erwähnt wurde.

Es geht hier aber nicht darum, einen Manipulationsverdacht aufzubauen oder zu belegen, sondern darum den manipulativen Charakter der Massenmedialen Darstellung als ihnen immanent zu begreifen. In der Auseinandersetzung mit diesem Mechanismus entfaltet das System in sich selbst seine Paradoxie von Information und Nicht-Information und gibt sie an sich selbst zurück.

Es ist offensichtlich, dass Massenmedien Informationen manipulieren - sie können gar nicht anderes. Informativ sind sie trotzdem und glaubwürdig sind sie dann dort und deshalb, wo und weil sie nicht schaffen, alles zu manipulieren.

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