Freitag, Juli 07, 2006

(57) Individuen (LRM14)

Weiterhin stellt sich die Frage, nach der Einheit verschiedener Programmbereiche in (nur) einem System der Massenmedium.

Neben dem gemeinsamen Gebrauch der gleichen Codierung (Information/Nicht-Information), sowie der gleichen Technologie, wird nun noch die Verfügbarmachung individueller Motivlagen für Kommunikation angeführt. Das heißt: In der kommunikative Darstellung wird eine bestimmte Form der Zurechnung von Ereignissen auf bestimmte Individuen(gruppen) vorgenommen. Mit Ereignissen sind Handlungen gemeint, die über Motive kausal Individuen zugeschrieben werden.



Die Massenmedien konstruieren dazu, in Abgrenzung zum passiven Zuschauer, einen aktiven prominenten Medienpersönlichkeitstyp, der als handlungsfähig behandelt wird. Nur wer in der Medien vorkommt, also mediale Aufmerksamkeit erlangt, wird als Handelnder wahrgenommen. Oder sie suggeriert dem passiven Zuschauer Handlungsfähigkeit, wenn er sich aufmacht und so handelt, wie es die Werbung empfiehlt. Der Konsument kann dann glauben, dass er als Homo-Oeconomicus rationale Marktentscheidungen trifft, solange er ausblendet, dass seiner vollständigen Informiertheit kontingente Informationsselektionen vorausgegangen sind.

Noch einmal ganz anders die Unterhaltung. Im "Medium der narrativen Fiktionalität" werden Personen mit selbsterzeugten Biographien geschaffen. Dem Zuschauer bleibt dabei die freie Wahl, sich mit den Situationen und den Ereignissen der Geschichte zu identifizieren, Rückschlüsse auf sein eigenes Leben zu ziehen - oder nicht.

Paradox wird diese Form dadurch, dass das Individuum gleichzeitig individualisiert + entindividualisiert, uniformiert + fiktionalisiert wird. Der Komplexität der individuellen Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft wird innerhalb der Gesellschaft (-> also aller Kommunikation) rechnung getragen, indem bestimmte Standards geschaffen werden, auf die die Kommunikation zugreifen kann, ohne alle individuell-spezifischen Operationen und all die permanenten Abweichung berücksichtigen zu müssen, welche die einzelnen Individuen miteinbringen. Auf der anderen Seite ist es den Individuen möglich, sie an Standards zu orientieren und genau daran Anpassungen und Abweichungen zu produzieren - totale Ablehnung eingeschlossen.

Der Mythos Mensch der auf der Innenseite der Massenmedien konstruiert wird, ist der selbstreferentielle Durchgriff auf eine auf der fremdreferentiellen Seite verortete Erscheinung, die man unter systemtheoretischen Gesichtspunkten mit der co-evolutionäre zur Gesellschaft entstandenen Erscheinung "psychische Systeme" beschreibt.

Wir wissen natürlich nicht durch die Massenmedien was der Mensch wirklich ist, was er wirklich will etc., aber es ist ein erfolgreiches Konzept, dass die Massenmedien immer wieder wissen, was sie für den Menschen halten und was dieser von ihnen will/wollen könnte.


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